"Live" gesehen haben sich Schwester Jordana und Andreas Öhler noch nicht. Dafür hören sie regelmäßig voneinander. Einmal in der Woche bespielen die Dominikanerin und der "Kulturprotestant" den Podcast "Die Nonne & der Journalist". Sie, 51 Jahre alt, betreut eine Gruppe von fünf Kindern im Alter von zwei bis elf Jahren im Bethanien-Kinder- und Jugenddorf Schwalmtal bei Mönchengladbach, im äußersten Westen der Republik. Er, 62 Jahre alt, ist Redakteur der "Zeit"-Beilage "Christ & Welt", und lebt als Schwabe im "Szene-Viertel" Prenzlauer Berg in Berlin.
Die Idee hinter der im Internet abrufbaren Radiosendung umschreiben die Macher des Formats, die "Zeit"-Tochter Credo und das Katholische Medienhaus in Bonn, so: Die Ordensfrau und der Journalist sollen auf unterhaltsame Weise "zwei Perspektiven auf Gott und die Welt" bieten. "Sie verkörpert für mich die gelebte Natur, ich bin das urbane Subjekt", fasst Andreas Öhler zusammen. "Er hat seine Bücher, ich den Alltag mit meinen Kindern", sagt Schwester Jordana.
Ein Hauptstadtjournalist, der das Bundesviertel meidet
Wenn die etwa 25-minütigen Gespräche aufgezeichnet werden, zieht sich Öhler in sein Arbeitszimmer zurück - im Hintergrund stapelt sich Literatur. Für den Podcast wird er als "Hauptstadtjournalist" geführt. Aber vor dem Kanzleramt wird man einen wie ihn kaum finden. Die Bücherregale verraten es: Hier lebt einer, der dem Himmel über Berlin mehr abgewinnen kann als der trostlosen Betonwüste des Regierungsviertels.
Das Berufsziel Straßenmusiker hat er knapp verfehlt. Dafür gibt es die Band "Öhlers Roadshow" - derzeit im Dornröschenschlaf, aber zur Wiederauferstehung bereit. Im Repertoire: lustige und launige Eigenkompositionen "im Liedermacher-Stil der 70er Jahre". Mit Wolf Biermann ging Öhler auf Lesereise, über den "Zigeuner-Jazzer" Schnuckenack Reinhardt drehte er einen Dokumentarfilm. Vielleicht ist die Sache mit dem Hauptstadtjournalisten ja so zu verstehen: Öhler ist seine eigene Hauptstadt.
Eine Schwester, die jahrelange Medienerfahrung hat
"Er ist mein Fenster nach Berlin", sagt Schwester Jordana über ihren Gesprächspartner. Mit ihm könne sie über "ganz andere Dinge nachdenken". Im Ergebnis klingt das angenehm entspannt und hat wohl nicht nur damit zu tun, dass sich die Kinderdorfmutter für den
Podcast gern mal in einen Strandkorb setzt, den sie im Garten aufgestellt hat. Sicher nicht von Nachteil ist, dass auch Schwester Jordana über Medienerfahrung verfügt. Von 2006 bis 2010 war sie Sprecherin beim "Wort zum Sonntag".
Das Engagement als "Fernsehnonne" bescherte ihr einen weiteren TV-Auftritt. An der Seite von Moderator Rainer Maria Jilg tourte Schwester Jordana im Herbst 2011 für das ZDF durch den Nahen Osten. Ihre Begegnungen mit tanzenden Derwischen, Hisbollah-Anhängern und israelischen Ex-Soldaten oder Gästen einer Hochzeitsgesellschaft bei Beduinen schilderte sie in ihrem Buch "Auf einen Tee in der Wüste - 11.000 Kilometer bis Jerusalem".
Das Buch wurde zum Bestseller; die Reise bleibt ihr unvergesslich, wie sie sagt. Gerade jetzt, wo sich angesichts von Corona die Bewegungsfreiheit meist auf einen überschaubaren Radius um den eigenen Wohnort beschränkt. Die Folgen der Krise bilden naturgemäß den Roten Faden des Podcasts. Schwester Jordana hadert nicht. Sie habe die Zeit mit ihren Kindern genossen. Keine Termine, deutlich weniger Stress.
"Schade, dass ich so wenig Probleme habe"
Die Arbeit mit den benachteiligten Mädchen und Jungen erfüllt sie; ihren Orden bezeichnet sie als Oase. "Ich gucke immer, was kommt. Aber ich suche nicht», lautet eine Maxime von Schwester Jordana. Was nimmt Andreas Öhler aus den Gesprächen mit der Dominikanerin mit? "Dass Kirche so viel lebensnäher sein kann, als man vermutet." Jordana, da sei er sich sicher, könne Lösungen für viele Probleme anbieten. "Schade, dass ich so wenig Probleme habe."
Spätestens hier ist zu bedauern, dass man Radio nicht sehen kann. Denn dann bemerkte man den Schalk in Öhlers Augen. Und könnte dem offenen Blick Schwester Jordanas auf die wundervollen, manchmal wundersamen Erscheinungsformen von Mensch und Natur folgen. Am 25. Juni soll sich alles ändern. Dann wollen die beiden den Mainzer Bischof Peter Kohlgraf treffen. Live und nicht im Podcast.