DOMRADIO.DE: Sie kümmern sich auch um eine Flüchtlingssammelunterkunft mit 500 Flüchtlingen in Ratingen. Wie sieht denn in so einer Flüchtlingsunterkunft das Hygienekonzept aus?
Martin Sahler (Abteilungsleiter für den Fachbereich Integration und Migration der Caritas Mettmann): Es gibt kein Hygienekonzept. Das ist das große Problem, was wir mit dieser Unterkunft haben.
DOMRADIO.DE: Bei Ihnen könnte es also auch so etwas wie in Sankt Augustin mit mehr als 100 Infizierten geben?
Sahler: Das kann es durchaus geben. Es hat bislang in dieser Unterkunft erst einzelne Infizierte gegeben, bei denen sehr früh die Infektion festgestellt worden ist, die dann in Quarantäne genommen worden sind. Aber diese Probleme gibt es überall und wir haben in der städtischen Unterkunft der Stadt Mettmann Anfang April auch schon 50 Infizierte gehabt.
DOMRADIO.DE: Wie hat man da reagiert?
Sahler: Die Unterkunft ist sofort geschlossen und die Infizierten rausgenommen worden. Alle anderen 70 Menschen, junge Männer, die dort untergebracht sind, sind in Quarantäne gesetzt worden. Und dann ist nach einer Woche erneut geprüft worden und es waren weitere erkrankt. Daraufhin ist die Quarantäne um weitere zwei Wochen verlängert worden. Die Menschen sind dann nicht mehr aus dem Haus gekommen und niemand ist reingekommen.
DOMRADIO.DE: Was wäre jetzt in solchen Sammelunterkünften das Dringendste, was man jetzt umsetzen müsste?
Sahler: Meines Erachtens nach wäre am dringendsten, dass man die ganze Situation in den Unterkünften entschärft und die Menschen auf leere Unterkünfte verteilt, sodass der Abstand tatsächlich größer ist. Oder auch die Menschen noch mehr dabei unterstützt, eigenen Wohnraum zu kriegen, solange das bei den Menschen in den kommunalen Unterkünften möglich ist. In den Sammelunterkünften ist das Abstandsgebot überhaupt nicht umsetzbar.
DOMRADIO.DE: Wie arbeitet die Caritas denn unter diesen Bedingungen? Sind Sie da als Caritas auch in der Sammelunterkunft in Ratingen tätig?
Sahler: Wir sind da zurzeit noch tätig. Wir haben aber auch die Landesregierung und die Einrichtungsleitung jetzt intensiv darum gebeten, uns entsprechende Konzepte vorzulegen, wie mit den Hygienemaßnahmen umgegangen wird. Es wird eben auch nicht in dem Rahmen desinfiziert, wie das an anderer Stelle und in der Öffentlichkeit verlangt wird und dass Wege gefunden werden, wie man das Ganze ein Stück weit entzerren kann. Aber wir sind noch dort und beraten.
Für die Menschen, die da leben, ist es umso wichtiger, dass wir als Caritas dort sind und den Menschen Hilfestellungen geben und sie in ihrer Not unterstützen. Wir haben auf der anderen Seite auch immer mit Menschen zu tun, die zur Risikogruppe gehören und die ganz große Angst haben.
DOMRADIO.DE: Was muss denn passieren, damit das, was in Sankt Augustin passiert ist, nicht auch in anderen Unterkünften passiert?
Sahler: Es muss auf der einen Seite ganz klare Hygienekonzepte geben. Wie gehen wir damit um? Meines Erachtens nach muss es Pflicht sein, einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen, sobald man in den Gemeinschaftsbereichen ist. Auf den eigenen Zimmern natürlich nicht, da ist es immer etwas anderes. Aber man kann nicht vom Land her sagen, diese Einrichtungen von 500 Leuten werden als große Wohngemeinschaft betrachtet und diese Menschen ohne Abstandsregeln in der Unterkunft ein Stück weit sich selbst überlassen. Und sobald sie vor der Tür sind, gelten die Regeln in der Öffentlichkeit. Das versteht kein Mensch.
DOMRADIO.DE: Wird zurzeit nicht auch sichtbar, was ohnehin schon im Argen liegt?
Sahler: Das wird jetzt nochmal deutlicher. Deutlich ist das schon immer gewesen. Und ja, wir als Caritas haben immer dafür plädiert, Menschen nicht in zu großer Enge unterzubringen. 2015/2016 hatten wir eine Ausnahmesituation und da musste man auch mit den Gegebenheiten vorübergehend umgehen lernen. Aber seit 2017 hat sich die Unterbringungssituation deutlich entschärft und es gibt überall wieder mehr Platz.
Trotzdem werden Menschen an dieser Stelle nicht so gesehen, dass man denen auch mehr Platz zumutet. Sondern wir haben immer noch viele Unterkünfte, in denen drei bis vier Menschen in einem Zimmer miteinander untergebracht sind, die sich vorher nicht kannten und die möglicherweise auch zu anderen unterschiedlichen Nationalitäten und Religionen gehören.
Das Interview führte Michelle Olion.