"Solidarität ist das Gebot der Stunde in Deutschland, in Europa und weltweit", schrieb Overbeck in einem Beitrag für die in Freiburg erscheinende Zeitschrift "Herder Korrespondenz" (Juni-Ausgabe). Niemand dürfe glauben, dass Deutschland sich als "Insel der Seligen" abgrenzen könne.
"Lebendige Debatte" über weiteren Pandemie-Umgang
Auch sprach sich der Essener Bischof für eine "lebendige Debatte" über den weiteren Umgang mit der Pandemie aus. Dies sei in einer freiheitlichen Demokratie unverzichtbar. Unverantwortlich sei es aber, wenn Antidemokraten, Impfgegner und Verschwörungstheoretiker die aktuelle Verunsicherung der Menschen ausnutzten, um ihre eigenen Ideologien zu verfechten.
Kritik an Vigano-Erklärung
Scharf kritisierte Overbeck auch eine von mehreren katholischen Bischöfen und Kardinälen unterzeichnete Interneterklärung. "Wie viele andere Menschen bin ich auch über den Inhalt und die Sprache des Aufrufs entsetzt", betonte Overbeck.
Das Papier versuche "krude Verschwörungstheorien durch einen christlich-religiösen Anstrich für Katholiken anschlussfähig" zu machen. Er warf den Unterzeichnern, darunter der deutsche Kardinal Gerhard Ludwig Müller, vor, Ängste zu schüren und Feindbilder zu zeichnen, statt sich für soziale Gerechtigkeit und das Gemeinwohl einzusetzen.
Christliche Soziallehre als Kompass
Overbeck verwies zugleich auf die christliche Soziallehre als Kompass für gesellschaftliches und staatliches Handeln in der Corona-Krise.
Demnach ziele Solidarität als Sozialprinzip nicht auf bloße Gruppensolidarität, sondern auf den Ausgleich zwischen dem Wohl des Einzelnen und dem Gemeinwohl. Dabei gehe es gerade nicht um utilitaristisches Denken mit dem Ziel des "größten Glücks der größten Zahl", so der Bischof. Vielmehr müsse die Würde jedes einzelnen Menschen in den Blick kommen. Gemeinwohl bezeichne somit eine "qualitative Größe, die auf die Möglichkeit personaler Entfaltung aller Menschen - und das meint in der Tat: eines jeden Menschen - gerichtet ist".