Der frühere evangelische Dekan des ehemaligen Kirchenkreises Wolfhagen, Gernot Gerlach, würdigte Lübcke laut Redemanuskript als einen Waldecker Protestanten, der unerschrocken und couragiert Haltung gezeigt habe. An dem Gottesdienst in der Kirche Sankt Elisabeth nahmen auch die Familie Lübckes sowie Abgeordnete aus Bundestag und Landtag sowie Vertreter aus der Kommunalpolitik teil.
Gerlach beklagte in seiner Predigt einen sich verstärkenden Ungeist von Menschenverachtung, Antisemitismus und fanatischem Nationalismus in Deutschland. "Wo dieser Ungeist wuchert, lassen Hetze, Hass, Gewalt und Mord nicht lange auf sich warten", sagte er. Es gebe ein bundesweites Netzwerk von Rechtsextremisten, das die Demokratie angreife und über Leichen gehe. Die Hasspropaganda von etlichen Gruppierungen und der AfD vergifte das gesellschaftliche Leben.
Aufruf zur Zivilcourage
Angesichts dieses Ungeistes rief Gerlach unter Verweis auf den Theologen Dietrich Bonhoeffer zur Zivilcourage auf. Dies sei die Tugend gewesen, die Bonhoeffer bei den Deutschen am meisten vermisst habe, als die Saat des Hasses in der NS-Zeit aufging. Im Gedenken an den ermordeten Walter Lübcke sei klar, dass tatenloses Abwarten und stumpfes Zuschauen angesichts des Bösen keine christlichen Handlungen seien, dies sei vielmehr die Zivilcourage. "Das ist die Verpflichtung für uns im Glauben", sagte er.
Der Gottesdienst, zu dem die evangelische und die katholische Kirche in Kassel eingeladen hatten, war auf Anregung von Organisationen aus dem "Kasseler Bündnis gegen rechts" zustande gekommen. Von katholischer Seite wirkte Pastoralreferent Stefan Ahr bei der liturgischen Gestaltung mit. Aufgrund der Corona-Pandemie konnte nur eine beschränkte Besucherzahl zugelassen werden.