DOMRADIO.DE: Wie laufen denn die Demonstrationen in New York ab?
Miriam Groß (Evangelische Pfarrerin in New York und Seelsorgerin für die New Yorker Polizei): Die Demonstrationen in New York verlaufen tagsüber meist sehr friedlich. Da bahnen sich Menschenmassen ihren Weg durch die Straßen dieser Stadt, die ja eigentlich niemals schläft, aber in den Corona-Zeiten zu einem Ruhepunkt gekommen ist. Nun aber explodiert diese Stadt mit Emotionen und dem Kampf nach einer gerechten Gesellschaft. Viele stehen auf gegen den systemischen Rassismus und schließen sich diesen Demonstrationen an. Während das tagsüber meistens sehr ruhig und friedlich verläuft, finden abends und nachts oft auch Plünderungen statt. Das macht uns natürlich auch große Sorgen.
DOMRADIO.DE: Sie sind ja wirklich sehr nah dran an den Beamten, als Seelsorgerin der Polizeistation in New York. Wie reagieren die Beamten denn auf diese Diskussion über Polizeigewalt?
Groß: Sie sind erschrocken. In den Gesprächen, die ich mit ihnen führe, wird immer sehr viel Verständnis wach und gleichzeitig auch die Belastung, die in diesen Cops steckt. Denn die New Yorker Polizei ist eine Organisation, die so bunt ist wie diese Stadt. Die Cops sind unterschiedlicher Herkunft, haben unterschiedliche Hautfarben. Von daher ist es ganz schwierig für diese Personen, mit der Belastung umzugehen.
Gestern zum Beispiel habe ich mit einem schwarzen Beamten gesprochen, der mir davon berichtete, dass er natürlich aufgrund seiner Hautfarbe die Proteste sehr gut versteht, aber gleichzeitig mit Angriffen überschüttet wird und daher auch um sein eigenes Leben fürchtet. Und das ist natürlich eine sehr schwierige und komplexe Situation.
DOMRADIO.DE: Die Polizei in den USA ist natürlich in einem ganz anderen Umfeld unterwegs als die Polizei in Deutschland, weil das Waffengesetz ein ganz anderes ist. Ist das auch ein Punkt, warum Polizeibeamte in den USA vielleicht naturgemäß ein bisschen anders auftreten müssen - auch, um ihr Leben zu schützen - als dass das die Polizei in Deutschland tut?
Groß: Das US-amerikanische Waffengesetz unterscheidet sich von Staat zu Staat. Texas hat die wohl offensten Waffengesetze, im Gegensatz zu New York City, das eines der rigoroses und härtesten Waffengesetze der USA hat. Da kann ich nur als Seelsorgerin der örtlichen Polizei sprechen und sagen, dass diese Waffengesetze auch auf die Polizistinnen und Polizisten appliziert werden und man da natürlich versucht, im Dienst deeskalierend zu wirken. Zur Waffe wird äußerst selten gegriffen.
DOMRADIO.DE: Sie kennen ja sowohl die USA als auch Deutschland. Ist das Thema Rassismus, ohne das jetzt relativieren zu wollen, in beiden Gesellschaften gleich oder wird andersartig damit umgegangen?
Groß: Der Rassismus ist aus meiner Sicht sehr, sehr eng verwandt mit dem sogenannten Antisemitismus. Wenn wir es genauer betrachten, so handelt es sich hierbei aus meiner Sicht um ideologische Zwillinge des Hasses, die miteinander verbunden sind. Und die stehen wiederum in engen geschichtlichen und wirtschaftlichen Verbindungen zwischen den USA und Deutschland.
Aus meiner Sicht sind es ganz gefährliche Irrlehren, die zutiefst der christlichen Botschaft widersprechen. Sie sind ideologische Zwillinge, die nicht nur Hass verbreiten, sondern auch Menschenleben kosten.
Das Interview führte Verena Tröster.