Ein offenes Kirchenasyl, bei dem die Ausländerbehörde zu jeder Zeit den Aufenthaltsort des Ausländers kenne, sei "aufenthaltsrechtlich nicht einem Untertauchen des Ausweisungspflichtigen gleichzusetzen", so die Richter.
Die Stadt Frankfurt hatte im Fall eines äthiopischen Asylbewerbers argumentiert, dieser habe mit einem Kirchenasyl in Frankfurt seine Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet "rechtsmissbräuchlich beeinflusst".
Anspruch auf Sozialhilfeleistungen
Im konkreten Fall verpflichtete das Gericht die Stadt Frankfurt per einstweiliger Anordnung, dem Mann Sozialhilfeleistungen zu gewähren. Asylbewerber erhalten normalerweise Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Halten sie sich aber mehr als 18 Monate im Bundesgebiet auf, so haben sie einen Anspruch auf die - umfangreicheren - Sozialhilfeleistungen.
Der im Juni 2015 aus Äthiopien eingereiste Mann, dessen Asylantrag abgelehnt wurde und dem die Abschiebung drohte, hatte sich im Juli 2016 ins Kirchenasyl einer Frankfurter Kirchengemeinde begeben. Diese unterrichtete die Ausländerbehörde über seinen Aufenthaltsort. Im Februar 2017 erhielt er eine sogenannte Aufenthaltsgestattung und bekam Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.
Im Oktober 2019 beantragte er Sozialhilfeleistungen, weil er sich nun bereits seit mehr als 18 Monaten im Bundesgebiet aufhalte. Die Stadt Frankfurt lehnte den Antrag ab.
Dem Widerspruch stattgegeben
Das Landessozialgericht gab nun dem Widerspruch des Mannes statt. Es verwies darauf, dass Kirchenasyl von den Verwaltungsbehörden und der Bundesregierung "respektiert" werde.
Deshalb führten die Behörden in der Regel keine Abschiebung während eines Aufenthalts in kirchlichen Räumen durch. Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten liege nicht vor, weil die Abschiebung nicht unmöglich sei, wenn es sich - wie hier - um ein offenes Kirchenasyl handele.