EU-Ratspräsidentschaft und Reform der Asylpolitik

Gelingt der Durchbruch?

Fünf Jahre nach dem Flüchtlingssommer soll Deutschland während der EU-Ratspräsidentschaft das Steuer herumreißen und eine Reform der Asylpolitik herbeiführen. Ob das gelingt, ist mehr als fraglich.

Autor/in:
Birgit Wilke und Franziska Broich
Migranten an der griechisch-türkischen Grenze / © Emrah Gurel (dpa)
Migranten an der griechisch-türkischen Grenze / © Emrah Gurel ( dpa )

An diesem 1. Juli übernimmt Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft. Einer der Punkte, die für die Bundesregierung ganz oben auf ihrer Agenda stehen, ist die Reform der EU-Asylpolitik. Und da ist der Handlungsdruck nach wie vor groß.

Zwar gibt es schon lange keine Bilder von Flüchtlingen mehr, die sich zu Fuß auf den Weg vom Budapester Hauptbahnhof Richtung Österreich und Deutschland machen. Dafür spielen sich Dramen an den Außengrenzen Europas ab wie etwa in den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln. Auch der umstrittene EU-Türkei-Deal funktioniert nur unzureichend. Hauptknackpunkt: Eine schnelle Abarbeitung der Asylanträge auf den griechischen Inseln wie auf dem Papier geplant, gelingt nicht.

Dublin-System gescheitert

Einig sind sich die Länder inzwischen darin, dass das Dublin-System gescheitert ist, nach dem der Staat für einen Flüchtling verantwortlich ist, dessen Boden dieser zuerst betritt - wodurch vor allem Länder wie Italien und Griechenland gefordert sind. Die Bundesregierung will die Lasten stärker verteilen.

Nach einem Konzept von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) soll möglichst schon an den Außengrenzen entschieden werden, welche Flüchtlinge überhaupt Anspruch auf Asyl haben und welche von vornherein zurückgewiesen werden sollen. Geplant ist zudem, Rückführungen zu beschleunigen, aber auch mehr legale Wege zur Zuwanderung zu schaffen. Das könnte zum Beispiel durch besondere Abkommen zwischen der EU und einzelnen Drittstaaten erreicht werden.

Lastenverteilung und Zugangswege

Mit dem Grundprinzip der besseren Lastenverteilung stimmt die SPD überein, die Fraktion wendet sich nur strikt dagegen, dass es dann an den Außengrenzen ein Schnellverfahren gibt und die Humanität dadurch möglicherweise auf der Strecke bleibt. "Abgeschwächte Asylverfahren lehnen wir ab", meint etwa der migrationspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Lars Castellucci. Es könne nicht per Augenschein entschieden werden, ob jemand schutzbedürftig ist.

Davor warnen auch Flüchtlings- und Wohlfahrtsverbände wie etwa die Caritas. Das neue EU-Asylsystem, so Caritas-Präsident Peter Neher, müsse auf Anreizen für solidarisches Handeln basieren und "nicht auf Abschreckung und Ausgrenzung von Schutzsuchenden". Ein europäisches Asylsystem könne nur funktionieren, wenn die Interessen der Asylsuchenden wie etwa familiäre Bindungen oder Integrationsmöglichkeiten berücksichtigt werden. Es müssten sichere und legale Zugangswege in die EU bestehen.

Auch bei der Seenotrettung von Flüchtlingen aus dem Mittelmeer ist die EU nicht wirklich vorangekommen. Ein wesentlich von Seehofer initiierter Notfallmechanismus, an dem sich eine handvoll EU-Mitgliedstaaten beteiligen, funktioniert nur sehr schleppend.

Schwierige Verhandlungsposition

Nun wartet die Bundesregierung auf Vorlagen der EU-Kommission, die bislang aber wegen der Verhandlungen über den mehrjährigen Finanzrahmen und das EU-Konjunkturpaket auf sich warten lassen. Die EU-Kommissarin Ylva Johansson und der EU-Vizepräsident der EU-Kommission, Margaritis Schinas, suchten bilateral Kontakt mit vielen EU-Mitgliedstaaten. Ihre Aufgabe war es, auszuloten, wie weit ein neuer Vorschlag der EU-Kommission gehen kann. Wie ihre Vorgänger machten sie die Erfahrung, dass der Korridor eng ist. Sieben osteuropäische Innenminister wandten sich Anfang Juni in einem Brief an die EU-Kommission und sprachen sich gegen feste Flüchtlingsquoten aus.

Unterdessen rief die innenpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament, Lena Düpont, zu einem "realistischen Blick" auf die deutsche Ratspräsidentschaft auf. Die Deutschen könnten in sechs Monaten nicht alle aufgestauten Probleme wie etwa den Brexit, den mehrjährigen Finanzrahmen, die Agrar- und Asylreform lösen, sagte sie der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Seehofer habe in den vergangenen Wochen immer wieder wichtige Punkte für die Diskussion auf europäischer Ebene beigetragen, so Düpont. Dass der Vorschlag der EU-Kommission nun erst nach einer politischen Einigung auf den mehrjährigen Finanzrahmen kommen soll, sieht sie kritisch. "Damit sind uns wertvolle Wochen für die Verhandlungen verloren gegangen", sagt die EU-Abgeordnete.


Quelle:
KNA
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