Kritik an der Hagia-Sophia-Umwandlung

"Hagia Sophia-Umwidmung verletzt Religionsfreiheit"

Der Nahostkirchenrat appelliert an die Vereinten Nationen und die Liga der Arabischen Staaten, sich gegen die Umwandlung der Hagia Sophia zu stellen. Die ganze Welt sei aufgerufen, "zusammenzustehen." Auch die türkische Gemeinde zeigte sich kritisch.

 (DR)

Die vom Obersten Gericht der Türkei gebilligte und von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan angekündigte Umwidmung des Wahrzeichens sei ein Angriff auf die Religionsfreiheit, erklärte der "Kirchenrat des Nahen Osten (Middle East Council of Churches/MECC) in Beirut.

"Jene Freiheit, die zum Eckpfeiler des internationalen Bewusstseins geworden ist und die durch internationale Gesetze geschützt wird." Auch müsse die historische Symbolik der als Kirche erbauten Hagia Sophia bewahrt werden.

Besonders gefährlich sei, dass die am Freitag in der Türkei gefällte Entscheidung im Kontext der christlich-muslimischen Koexistenz-Bemühungen stehe, so das MECC weiter. Deren prominenteste
Manifestation sei das "Dokument zur Brüderlichkeit aller Menschen", das Papst Franziskus und Großimam Al-Tayyeb in einer historischen Geste am 4. Februar 2019 in Abu Dhabi unterzeichneten.   

Die in der Türkei lebenden gesellschaftlichen und religiösen Autoritäten sollten sich auf allen Ebenen mobilisieren, um dieser "Aggression" und Grenzüberschreitung ein Ende zu setzen, so dass ein friedliches Zusammenleben weiter möglich sei.  

"Christen in Not" besorgt um Mosaike

Unterdessen äußerte die österreichische Hilfsorganisation "Christen in Not" (CiN) die Sorge, dass nun die 1.300 Jahre alten Mosaiken in der Kuppel der Hagia Sophia zerstört werden könnten. Bei der Eroberung des damaligen Konstantinopel 1453 hätten die Osmanen die christlichen Mosaiken durch Putz verdeckt, erklärte die Organisation am Sonntag in Wien. Nach dem Vorbild der "Bilderstürmere"  der Terrormiliz "Islamischer Staat" sei nun zu befürchten, dass die Mosaiken zerstört werden. Dies würde auch dem im Islam geltenden Bilderverbot entsprechen. 

Die im 6. Jahrhundert als orthodoxe Reichskirche im damaligen Konstantinopel erbaute Kathedrale wurde ab 1453 zur Moschee. 1934 machte Replubikgründer Mustafa Kemal "Atatürk" die Hagia Sophia zum Museum. Damit sei damals ein modus vivendi gefunden worden, der auch den religiösen Gefühlen der orthodoxen Christen - und vieler westlicher Christen - Respekt erwiesen habe, so CiN. "Dass dieser Respekt jetzt bewusst mit Füßen getreten wird, ist leider ein Affront erster Güte."

Die Auswirkungen auf den bislang so positiven sunnitisch-christlichen Dialog seien noch gar nicht abzusehen, so die Organisation. Eine Fundamentalisierungswelle bei Christen wie auch bei Muslimen sei zu befürchten.

Türkische Gemeinde gegen Umwandlung 

Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu, hat die Umwandlung der Hagia Sophia von einem Museum in eine Moschee kritisiert. "Die Hagia Sophia ist
Welterbe und ein Symbol friedlichen Zusammenlebens der Religionen. Dass man daraus eine Moschee macht, ist eine absolute Fehlentscheidung", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland
(Sonntag). "Die Türkei wird nun als das Land verurteilt werden, das mit so einem Erbe nicht umgehen kann."

Sofuoglu verwies darauf, dass viele Menschen nicht zuletzt wegen der Hagia Sophia nach Istanbul kämen und dies nun voraussichtlich nicht mehr täten. Außerdem gebe es in der Umgebung genug andere Moscheen. Er wünsche sich deshalb, dass man beim alten Zustand bleibe. "Man sollte mit religiösen Symbolen keine Politik machen", sagte der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde. "Das hat in der Vergangenheit nicht gefruchtet und wird es auch in Zukunft nicht tun." Es dürfe jetzt jedenfalls nicht so polarisiert werden, dass die Gegner der Entscheidung als Feinde der islamischen Religion dargestellt würden.


Quelle:
KNA