Sternsinger verdoppeln Nothilfefonds in Corona-Krise

"Es fehlt auch an Handwasch-Möglichkeiten"

In aller Welt sind Kinder akut von den Folgen der Corona-Krise betroffen. Um ihnen zu helfen, hat das Kindermissionswerk "Die Sternsinger“ seine Nothilfe-Leistungen aufgestockt, auf zwei Millionen Euro.

Schulkinder, die sich die Hände waschen / © Mark Naftalin/UNICEF/AP (dpa)
Schulkinder, die sich die Hände waschen / © Mark Naftalin/UNICEF/AP ( dpa )

DOMRADIO.DE: Was hören Sie in Sachen Corona von Ihren Projektpartnern? Wo wirkt sich das am stärksten aus?

Markus Brüning (Leiter des Bereichs Ausland beim Kindermissionswerk "Die Sternsinger"): Vor allen Dingen, das werden Sie alle in den Medien mitbekommen haben, hat sich Lateinamerika in den letzten Wochen zu einem sogenannten Hotspot entwickelt. Von da erreichen uns sehr viele Anfragen, Nothilfe-Anfragen, aber auch aus Afrika. Auch dort haben sich die Infektionszahlen, auch die Zahl der Todesfälle, trotz massiver öffentlicher Lockdown-Maßnahmen rasant entwickelt und steigen noch immer an. Der Zeitraum, in dem sich die Infektionszahlen verdoppeln, ist reduziert. Von 100.000 auf 200.000 Infektionen hat sich das in 18 Tagen vollzogen, wenn es vorher drei Monate waren. Das ist besonders schwierig dort in diesen Ländern. Aber in Afrika ist es nur ein Problem unter vielen, muss man leider sagen.

DOMRADIO.DE: Deshalb hat das Kindermissionswerk seinen bestehenden Nothilfefonds aufgestockt, und zwar um eine weitere Million auf nunmehr insgesamt zwei Millionen Euro. Was geschieht mit diesem Geld?

Brüning: Vordergründig geht es um die Versorgung mit Lebensmitteln oder Hygieneartikeln, auch um gesundheitliche Aufklärung. Aber der eigentliche Fokus dieser Maßnahmen, die wir unterstützen, liegt darauf, den Kindern unter diesen besonderen Umständen der Krise einen normalen Alltag zu ermöglichen und das Kindeswohl zu garantieren. Es sind ja vor allen Dingen die Kinder von gesellschaftlichen Randgruppen in prekären Lebensbedingungen, die wir unterstützen.

So haben wir zum Beispiel in Bolivien die Familien venezolanischer Flüchtlinge versorgt. In Kolumbien und Peru sind es Kinder indigener Minderheiten, die wir unterstützend versorgen. Ein anderes Beispiel ist in der Demokratischen Republik Kongo, wo wir die schulische Integration von Kindern mit Behinderungen unterstützen.

DOMRADIO.DE: Ein großer Punkt ist auch das Thema Homeschooling, einige Kinder sind da digital besser ausgestattet als andere. Ist das auch ein Thema für die Kinder in den Ländern, in denen Sie helfen?

Brüning: Auf jeden Fall. Dort hat man ja gerade in Afrika sehr schnell reagiert und das komplette Leben eigentlich lahmgelegt. Die Schulen sind geschlossen und machen jetzt, zum August hin, in einigen Ländern wieder auf. Aber in der Zwischenzeit war es so, dass natürlich unsere Partner nach Alternativen suchen mussten. Auch in Afrika, müssen Sie sich vorstellen, ist der Zugang zu digitalem Netz überhaupt nicht gegeben. Es gibt natürlich Länder, wo Partnern über Tablets oder Smartphones Material zur Verfügung gestellt wird und wir versucht haben, an den Kindern dran zu bleiben.

In anderen Fällen ist es so, dass sie Pakete zusammengestellt haben, die sie in den Häusern verteilt haben. Es sind dann ganz andere Voraussetzungen. Wenn man hier schön von Homeschooling spricht, ist es in diesen Ländern natürlich äußerst schwierig, das zu gewährleisten. Und jetzt, wenn die Schulen wieder aufmachen? In vielen Ländern bitten uns viele Partner darum, ihnen zu helfen, zusätzliche Hygienemaßnahmen aufzubauen, sprich Handwasch-Möglichkeiten. Da geht es wirklich um grundlegende Dinge, die hier selbstverständlich sind, die wir hier schnell bereitstellen können, aber unsere Partner vor Ort vor große Herausforderungen stellt.

DOMRADIO.DE: Wir wissen ja alle noch nicht so wirklich, wie sich das mit Corona weiter entwickelt. Haben Sie irgendeine Idee, wie lange diese Nothilfen noch nötig sein werden?

Brüning: Nein, das können wir zurzeit noch gar nicht abschätzen. Ich habe das eingangs gesagt: In Afrika entwickeln sich die Zahlen rasant. Das wird uns sicherlich noch eine ganze Zeit bis ins nächste Jahr hinein begleiten. Und von daher, wenn es notwendig sein sollte, werden die Sternsinger auch weiterhin Gelder zur Verfügung stellen. Aber neben der akuten Hilfe ist es jetzt vor allen Dingen wichtig, sich auch mal über die langfristigen Konsequenzen bewusst zu werden und unsere Partner bei der Bewältigung dieser Konsequenzen zu unterstützen.

DOMRADIO.DE: Bei Ihrer anstehenden Jahresaktion blicken die Sternsinger in die Ukraine. Es geht um das Thema Arbeitsmigration. Womit haben die Kinder in der Ukraine diesbezüglich besonders zu kämpfen?

Brüning: Laut unserem Partner, der Caritas Ukraine, sind es etwa zwei Millionen Kinder in der Ukraine, die davon betroffen sind. Das heißt, sie wachsen mit nur einem Elternteil auf oder bei den Großeltern, bei anderen Verwandten oder Pflegefamilien. Und natürlich sind sie vielleicht gegenüber anderen Kindern materiell etwas besser gestellt, weil natürlich die Eltern, die im Ausland arbeiten, ihnen mehr bieten können. Aber es ist vor allen Dingen natürlich die soziale und die emotionale Not, die diese Kinder betrifft. Sie kommen schulisch schlechter mit. Sie greifen in der Pubertät eher zu Alkohol und Drogen, entwickeln häufig psychische Probleme. Und da ist es unseren Partnern sehr wichtig, sie da zu begleiten, ihnen Halt zu geben.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.

 

Spende für die Sternsinger / © Melanie Pies (KNA)
Spende für die Sternsinger / © Melanie Pies ( KNA )
Quelle:
DR
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