Das weltweite päpstliche Hilfswerk arbeitet seit Langem mit zahlreichen Projektpartnern im Libanon zusammen – vor allem in der Seelsorge und der Flüchtlingshilfe. Das erweist sich nach der Explosions-Katastrophe im Hafen von Beirut als großer Vorteil. "Kirche in Not" hat unmittelbar nach dem Unglück 250.000 Euro bereitgestellt, um die hungernde Bevölkerung zu versorgen. Doch es gibt noch viel mehr zu tun: So ist zum Beispiel das christliche Viertel von Beirut schwer beschädigt.
Tobias Lehner: Frau Lynch, was hören Sie von den Projektpartnern in Beirut? Wie ist die Situation in der Stadt?
Regina Lynch (Projektdirektorin von "Kirche in Not" (ACN) International): Beirut befindet sich in einer schweren Krise. Es gibt kaum Strom, stellenweise auch kein Telefon oder Internet. Rund 90 000 Häuser und Häuser wurden durch die Explosion zerstört oder beschädigt. Die am Sonntag versprochene internationale Hilfe in Höhe von 297 Millionen US-Dollar hinkt dem weiter hinterher, was für den Wiederaufbau notwendig ist.
Tobias Lehner: Was tut die Kirche vor Ort, um den Überlebenden zu helfen?
Regina Lynch: Bereits vor der Explosion hatten die katholischen Patriarchate (maronitisch, griechisch-katholisch, syrisch-katholisch, armenisch) im Libanon zusammen mit Pfarreien und Institutionen wie der Caritas und den Päpstlichen Missionswerken ein Komitee eingerichtet, um den Christen angesichts der steigenden Inflation und Arbeitslosigkeit zu helfen. Viele Familien litten Hunger und dachten darüber nach, den Libanon zu verlassen.
In diesem Zusammenhang wurde bereits ein Plan zur Verteilung von Hilfsgütern aufgestellt. Das bedeutet, dass die Kirche auch jetzt, nach der Explosion, gut aufgestellt ist, um die Hilfe aus dem Ausland zu verteilen, zum Beispiel Lebensmittel, Medikamente, Decken usw. Es beeindruckend, wie sehr sich junge Katholiken bei der Verteilung der Nothilfe engagieren.
Tobias Lehner: Wie wird die Hilfe von "Kirche in Not" verwendet?
Regina Lynch: "Kirche in Not" hat in einem ersten Schritt 250.000 Euro bereitgestellt. Davon werden Lebensmittelpakte für 5000 Familien finanziert. Die meisten von ihnen sind von der Explosion betroffen. Aber wir helfen auch christlichen Libanesen und Flüchtlingen, die bereits vor der Explosion um ihr Überleben kämpfen mussten. Bei der Explosion wurden auch einige der wichtigsten Getreidespeicher zerstört. Das wird zu noch höheren Lebensmittelpreisen führen.
Tobias Lehner: Welche weiteren Hilfen plant "Kirche in Not"?
Regina Lynch: Rund 80 Prozent des christlichen Bezirks Aschrafiyya (Achrafieh) sind durch die Explosion schwer beschädigt – der Teil des Viertels, der dem Hafen am nächsten liegt, ist nahezu vom Erdboden verschwunden. Hunderte christliche Familien haben ihre Häuser und ihren Lebensunterhalt verloren.
Zahlreiche katholische Krankenhäuser und medizinische Einrichtungen müssen dringend instandgesetzt werden, damit sie weiter funktionieren können. Unzählige kirchliche Einrichtungen wurden zerstört oder schwer beschädigt, zum Beispiel die maronitische Georgs-Kathedrale, Pfarrkirchen, Klöster und Provinzhäuser von verschiedenen Kongregationen, die im Nahen Osten tätig sind.
"Kirche in Not" ermittelt mit den Partnern vor Ort, welche dieser verschiedenen Nöte sofort und dann in den nächsten Monaten vor Beginn des Winters gelindert werden können. Die Christen im Libanon sollen wissen, dass sie auf die Gebete und die finanzielle Unterstützung der Wohltäter von "Kirche in Not" zählen können.