Mainzer Fastnacht: Corona-Gottesdienste als Vorbild

Lebensfreude vs. Corona

Ein Jahr ohne Karneval und Fastnacht? Dafür spricht sich der Landrat des Rhein-Sieg-Kreises aus. Feiern im Corona-Modus würde für viele Gesellschaften den finanziellen Ruin bedeuten. In Mainz soll es Fastnacht geben, aber ohne Straßenumzüge.

Zwei "Mainzer Herzen" bei ihrer Präsentation zum Beginn der Fastnachtszeit / © Silas Stein (dpa)
Zwei "Mainzer Herzen" bei ihrer Präsentation zum Beginn der Fastnachtszeit / © Silas Stein ( dpa )

DOMRADIO.DE: Fastnacht und Karneval ohne große Sitzungen, Büttenreden oder Publikum - das ist doch eigentlich unvorstellbar, oder?

Andreas Schmitt (Sitzungspräsident und "Obermessdiener" bei "Mainz bleibt Mainz"): Das wird es auch in Mainz nicht geben. Es wird eine Konzeption zur Zeit angedacht, die in strenger Abstimmung mit der Stadt steht, in Abstimmung mit der Landesregierung bis zur Ministerpräsidentin. Ich bin da auch involviert. Da wird geguckt, was man machen kann. Auf jeden Fall: Eine reine Konserve, das wird kein Amateur der Mainzer Fastnacht mitmachen.

Es wird angedacht, dann vor einem kleinen, überschaubaren Publikum, das sich im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben für Veranstaltungen bewegt, aufzutreten. Es wird die Möglichkeit gegeben, das über soziale Netzwerk nach außen hin zu kommunizieren und zu konsumieren.

DOMRADIO.DE: Also im Prinzip so, wie wir es mit den Gottesdiensten im Lockdown gemacht haben.

Schmitt: So ungefähr, ganz genau. Das ist die gleiche Gangart, wie in den Gottesdienstübertragungen. Beschränkte Zahl von Publikum vor Ort und eine große Teilnehmerzahl draußen. So wie auch jetzt in den öffentlich-rechtlichen Medien die Shows ablaufen.

DOMRADIO.DE: Aber da steckt ja ein bisschen Widerspruch drin. Karneval, Fastnacht, ist ja eine Gemeinschafts-Veranstaltung. Kann das überhaupt von der Stimmung her funktionieren, wenn man da nur vor einer kleinen Gruppe steht?

Schmitt: Ja. Der Bund Deutscher Karneval hat das klar definiert. Es wird eine Kampagne 20/21 geben. Gerade die Mainzer Fastnacht will ja Fastnacht mit Tiefgang betreiben, politisch, satirisch den Spiegel vorhalten. Auch in Zeiten oder zu Anlässen, die weniger glücklich sind. Die Fastnacht in Mainz war auch schon immer ein Ventil für Lebensfreude, die nach unserer Auffassung dem Menschen Kraft zum Weitermachen und zur Bewältigung des Alltags gibt. Deshalb ist die Fastnacht ein Lebensbestandteil, den es zu erhalten gilt.

DOMRADIO.DE: So sieht es mit den Büttenreden, der Sitzungskultur aus. Aber was ist mit den Straßenumzügen? Das wird man ja nicht so leicht kontrollieren und einschränken können.

Schmitt: Bei der Straßenfastnacht sind wir ganz realistisch. Da wird es nächstes Jahr so gut wie gar nichts geben. Das ist hier auch eine Finanzierungsfrage. Es war in Mainz schon angedacht, die Rosenmontagswagen zu bauen, die Motivwagen auszustellen und die Leute dran vorbeigehen zu lassen. Ob man dafür die Beträge investiert, die man dafür braucht, mag jetzt mal dahingestellt sein. Aber die klassische Straßenfastnacht muss man behandeln wie bei einem Orkantief. Da fällt der Zug halt aus. Und so traurig wie das ist: Wir müssen uns auf die Saalaktivitäten mit kleinem Umfang beschränken.

DOMRADIO.DE: Das heißt, Sie gehen davon aus: Straßenfastnacht und Straßenkarneval wird es in der nächsten Session nicht geben?

Schmitt: Nein. Aber das ist von mir jetzt auch Mitte August in die Glaskugel geguckt.

DOMRADIO.DE: Sie haben das Geld angesprochen. Es gibt jetzt bei uns in Nordrhein-Westfalen den ersten Landrat, der fordert, die Karnevalssession komplett ausfallen zu lassen. Gerade aus dem Grund, dass kleinere Vereine einfach nicht in der Lage sind, so etwas zu stemmen. Im kleineren Rahmen mit dem gleichen Aufwand wie im großen Rahmen, aber nicht mit dem gleichen Ertrag. Können Sie das verstehen?

Schmitt: Klar ist die Argumentation des Landrates zu verstehen, aber dass er dann alles absagen will, finde ich schwierig. Wenn ich sage, es gibt weniger Veranstaltungen, dann kann es natürlich auch bedeuten, dass es von weniger Vereinen getragen wird, weil manche kleinere das nicht stemmen können.

Gehen Sie von uns aus, bei den "Eiskalten Brüdern" in Mainz-Gonsenheim. Ich bin in meiner Doppelfunktion als Sitzungspräsident der Fernsehsitzung und als Sitzungspräsident im Heimatverein normalerweise für zehn Veranstaltungen im Einsatz, was allein meinen Verein betrifft.

Das können wir schlichtweg so nicht durchführen, weil auch kleinere Säle in der Bespielung sind, wo Sie die Abstände überhaupt nicht einhalten können. Wir werden von unseren zehn geplanten maximal drei oder vier, wenn's gut geht, fünf Veranstaltungen machen können - also 60 bis 50 Prozent Ausfall.

Da kann es natürlich sein, dass ein kleinerer Verein, der gar keine andere Lokalität hat, es ganz lassen muss. Nur sollte man das den Verantwortlichen in den Vereinen überlassen, ob sie an der Kampagne, die stattfindet, teilnehmen oder nicht. Man sollte nicht wieder von oben herunter die Verbotskeule schwingen. Da will sich wahrscheinlich der vorschlagende Landrat eher ein bisschen wichtig machen.

DOMRADIO.DE: Also im Gespräch bleiben und kreative Lösungen finden.

Schmitt: Das haben wir in Mainz fest im Fokus. Zusammenarbeit mit dem Gesetzgeber, mit der Stadtverwaltung, mit dem Südwestrundfunk, der in diesem Jahr die Fernsehfastnacht trägt. Da wird es mit Sicherheit ein Format geben.

Ob das "Mainz bleibt Mainz" heißt, das weiß ich heute auch noch nicht. Vielleicht kriegt es ein anderes Namensschild umgehängt. Denn das klassische Bild, das der Zuschauer alle Jahre sieht, nämlich dieses große, bunte, rauschende Finale mit den Mainzer Hofsängern und allen Aktiven auf engem Raum auf der Bühme, das kann es nach heutiger Lage nicht geben. Da sind andere Lösungen gefordert und da arbeiten wir dran.

Das Gespräch führte Renardo Schlegelmilch.


Andreas Schmitt, Sitzungspräsident und Obermessdiener bei "Mainz bleibt Mainz" / © Andreas Arnold (dpa)
Andreas Schmitt, Sitzungspräsident und Obermessdiener bei "Mainz bleibt Mainz" / © Andreas Arnold ( dpa )
Quelle:
DR
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