Religionsunterricht in Corona-Zeiten

Doch relevant

Wie funktioniert Religionsunterricht in Corona-Zeiten? Manche Schule hat darauf eine klare Antwort gegeben: gar nicht. Drei Theologinnen haben nun eine Lanze für das Fach gebrochen - auch für den Fall, dass wieder digital unterrichtet werden muss.

Autor/in:
Andreas Laska
Digitaler Releigionsunterricht / © Gorlov-KV (shutterstock)
Digitaler Releigionsunterricht / © Gorlov-KV ( shutterstock )

Lena Tacke hat Glück gehabt. An dem Gymnasium in Hagen, an dem sie als Religionslehrerin arbeitet, wurde das Fach auch im Corona-Lockdown weiter unterrichtet. "Es gab für alle Fächer digitale Angebote", berichtet sie. "Dass Religion hier ausgenommen werden könnte, das wurde nicht einmal angedacht."

An vielen Schulen war das anders. Religionsunterricht galt - wie auch Musik oder Kunst - nicht als unverzichtbar. Die digitalen Angebote wurden auf die Kernfächer beschränkt. Hinzu kam: So mancher Lehrer tat sich schwer mit seinem Fach in Krisenzeiten: "Ethische Themen verbieten sich aufgrund der eventuell schon angespannten Lebenssituationen der Schüler*innen", schrieb etwa die Religionslehrerin Eva-Maria Spiegelhalter in einem Beitrag für das Portal feinschwarz.net. Wer zu Hause gerade Gewalt erlebt, der möchte sich bestimmt nicht mit den Vor- und Nachteilen von embryonaler Diagnostik beschäftigen. Auch das Thema Sterbehilfe scheide aufgrund möglicher Betroffenheit aus.

Auch Religionsunterricht ist digital möglich

Mit den digitalen Unterrichtsformen konnte sich die Freiburger Theologin ebenfalls nicht anfreunden: Es fehle der direkte Austausch, die offene Diskussion, gerade bei kritischen Fragen zu religiösen Inhalten und Zweifeln an Lebensformen. Auch Videokonferenzen stellten keinen adäquaten Ersatz für die Diskussion im Klassenraum dar. Für Schüler der Sekundarstufe 1 sei eine Videokonferenz nur eines: "unglaublich langweilig", so Spiegelhalter.

Doch genau hier setzt Lena Tacke an. Gemeinsam mit zwei Kolleginnen vom Lehrstuhl für Praktische Theologie an der TU Dortmund - Tacke ist dort zusätzlich als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig -, verfasste sie eine Antwort auf feinschwarz.net. Ihr Tenor: Es hilft nichts, den Kopf in den Sand zu stecken. Auch Religionsunterricht ist digital möglich. Und begreift man die Situation als Herausforderung, kann man sogar Kapital daraus schlagen.

Von "unterschiedlichen Wegen", "kreativen Möglichkeiten" und "neuen Facetten" spricht die Pädagogin auch im KNA-Interview. An vielen Schulen etwa gelte ein Smartphone-Verbot, an anderen gebe es kein Wlan. "Im Lockdown aber konnten die Schüler ihr Handy als Arbeitsmittel verwenden, konnten damit recherchieren oder auch kleine Filme drehen", berichtet Tacke. "Das eröffnet ganz neue Möglichkeiten."

Auch zur Frage des Distanzunterrichts vertreten die drei Theologinnen eine differenzierte Meinung: "Selbst wenn Kommunikation nicht synchron wie im Klassenraum funktionieren kann, kann es sie doch in vielfältiger Weise geben", schreiben sie auf feinschwarz.net. Schon einfache Austauschplattformen böten die Möglichkeit, unterschiedliche Meinungen mit den anderen Schülern zu teilen. Auf Zoom wiederum seien auch Gruppendiskussionen möglich. "Die Diskussionskultur ist etwas anders", betont Lena Tacke. "Aber es gibt sie."

Sogar Vorteile bei der Distanz

In einem anderen Fall sehen die Autorinnen sogar einen Vorteil in der Distanz: "Persönliche Sorgen und Ängste können in digitalen (und anonymen) Formaten eventuell leichter artikuliert und dann religionsunterrichtlich aufgefangen werden", schreiben sie in ihrem Beitrag. Insofern teilen sie auch die inhaltlichen Bedenken ihrer Freiburger Kollegin nicht: Gerade in der Corona-Krise lasse sich die "unbedingte Lebensweltrelevanz des Religionsunterrichts" neu erkennen und bestärken.

Beispielhaft verweisen die Theologinnen auf die Themen Krankheit, Leid und Sterben, die für viele junge Menschen "schlagartig greifbarer" geworden seien. Auch die Debatte um die Arbeitsbedingungen in Schlachtbetrieben lasse sich im Religionsunterricht aufgreifen. Schließlich gehe es hier um die Frage nach dem Wert des Menschen. Ebenso werde das Thema Freiheit angesichts der alltäglich erfahrenen Beschränkungen "plötzlich auf drängende Art und Weise virulent".

Natürlich - das räumen die Autorinnen ein - lasse sich die Auseinandersetzung mit diesen sensiblen Themen nicht ganz einfach auf digitalem Wege übermitteln. "Aber mit Fingerspitzengefühl können doch individuelle Auseinandersetzungen mit solchen, nun viel relevanter wirkenden Lebensfragen angeregt werden."

Lena Tacke möchte mit dem Artikel vor allem Denkanstöße geben, falls es im Herbst wegen steigender Infektionszahlen wieder zu einer Abwechslung zwischen Distanz- und Präsenzunterricht kommen sollte. In jedem Fall aber könnten die neu erprobten digitalen Angebote eine sinnvolle Ergänzung sein, die etwa bei Hausaufgaben, bei der Vor- und Nachbereitung des Unterrichts zum Einsatz kommen.


Quelle:
KNA
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