Auch die katholische Kirche in Belarus ist jetzt Ziel staatlicher Repressionen. Die belarussischen Behörden haben am Montag dem katholischen Minsker Erzbischof Tadeusz Kondrusiewicz die Rückkehr von Polen nach Belarus verweigert. Man habe ihn ohne Begründung am Grenzübergang Kuznica/Bruzgi abgewiesen, obwohl er Belarusse sei, sagte Kondrusiewicz der polnischen katholischen Nachrichtenagentur KAI.
Kondrusiewicz ist Vorsitzender der katholischen Bischofskonferenz von Belarus und seit 2007 Erzbischof von Minsk. Wegen einer Dienstreise hielt er sich seit etwa einer Woche im Nordosten Polens auf. Der Erzbischof hatte die Gewalt der Polizei gegen friedliche Demonstranten verurteilt und die Staatsführung des Landes kritisiert.
Belarussische Behörden wollten sich gegenüber Medien nicht zu dem Fall äußern. Der Minsker Weihbischof Juri Kasabutski rief am Montagabend dazu auf, für eine baldige Rückkehr Kondrusiewicz' zu den Katholiken im Erzbistum zu beten. Rechtsexperten sagten dem unabhängigen Minsker Online-Portal tut.by, Belarus dürfe Staatsbürgern die Einreise nicht verwehren.
Drohung gegen Kirchen
Präsident Alexander Lukaschenko hatte den Kirchen des Landes vor einigen Tagen mit Konsequenzen gedroht, wenn sie sich in die Politik einmischten. "Der Staat wird dem nicht mit Gleichgültigkeit zusehen", warnte er. Geistliche, die die Demokratiebewegung unterstützten, sollten sich "schämen". Politik sei in Kirchen fehl am Platz. Dort solle nur gebetet werden. Der staatliche Hörfunk brach an den vergangenen beiden Sonntagen mit der langen Traditon, die Messe aus der katholischen Minsker Kathedrale live zu übertragen. Mit der Streichung des Gottesdienstes aus seinem Program will der Sender laut Beobachtern ausschließen, dass mögliche Kritik an der Staatsführung ausgestrahlt wird.
Lukaschenko kündigt "Reformen" an
Nach erneuten Massenprotesten in Belarus bei denen Zehntausende Menschen am vergangenen Sonntag in Minsk den Rücktritt des 66-Jährigen umstrittene Staatschef Alexander Lukaschenko forderten, hat dieser Veränderungen in Aussicht gestellt.
Es gebe jetzt viele Forderungen, das autoritäre System im Land zu ändern, "Veränderungen, Veränderungen", sagte Lukaschenko am Montag. "Deshalb werden wir das erörtern." Konkret gehe es um eine Änderung der Verfassung, die von der Gesellschaft getragen werden solle. Staatsmedien in Minsk verbreiteten Eilmeldungen mit der Überschrift: "Lukaschenko für Reformen".
Die Oppositionspolitikerin Maria Kolesnikowa warnte davor, Lukaschenko nach vielen nicht erfüllten Versprechungen in einem Vierteljahrhundert der Machtausübung noch zu vertrauen. "Lukaschenko lügt und manipuliert wie seit 26 Jahren", sagte sie in Minsk. Auch Politologen erwarten nicht, dass Lukaschenko echte Machtbefugnisse abgeben werde.
Unter Johannes Paul II. zum Bischof geweiht
Kondrusiewicz wurde im Januar 1946 im Dorf Adelsk im Westen von Belarus nahe der Grenze zu Polen geboren. Erst mit 30 Jahren entschied er sich für den Priesterberuf, nachdem er fünf Jahre als studierter Maschineningenieur in einem litauischen Werk Schleifmaschinen montiert und konstruiert hatte. Unter Papst Johannes Paul II. (1978-2005) wurde er 1989 zum Bischof geweiht, nur acht Jahre nach seiner Priesterweihe. Von 1991 bis zur Rückkehr in seine Heimat Belarus 2007 wirkte Kondrusiewicz als Erzbischof in Moskau. Dort organisierte er den Wiederaufbau der katholischen Kirche - wie bereits von 1989 bis 1991 als Apostolischer Administrator in Minsk.
Der katholischen Kirche gehören etwa 10 bis 15 Prozent der 9,5 Millionen Weißrussen an. Die überwiegende Mehrheit der Bürger des Landes sind orthodoxe Christen.