Kardinal Woelki über einen Advent ohne Weihnachtsmärkte

"Die christliche Perspektive des Advents stärker betonen"

Die Weihnachtsmärkte sind vielerorts abgesagt. Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki macht im Interview Mut, diese Lücke als katholische Kirche zu füllen. Dies sei "eine schöne Aufgabe und Herausforderung für unsere Gemeinden".

Rainer Maria Kardinal Woelki  / © Beatrice Tomasetti (DR)
Rainer Maria Kardinal Woelki / © Beatrice Tomasetti ( DR )

DORMADIO.DE: Herr Kardinal, nach der Absage des Oktoberfestes trifft es jetzt auch Weihnachtsmärkte und Adventsmärkte. Landauf, landab müssen die wegen Corona abgesagt werden. Was bedeutet das für die katholische Kirche?

Rainer Maria Kardinal Woelki (Erzbischof von Köln): Zunächst tut es mir einmal für viele Menschen leid, die ja emotional gerade auch an solchen Märkten hängen und die diese Atmosphäre genießen. Das ist das eine. Für uns als katholische Kirche bedeutet das natürlich, dass wir die Chance haben, jetzt in diese Lücke einzusteigen. Ich fände, es wäre eine Herausforderung für uns als katholische Kirche, für unsere Gemeinden, Verbände und Gemeinschaften zu versuchen, die christliche Perspektive des Advents stärker zu betonen.

DORMADIO.DE: Die Adventszeit ist vom Ursprung her ja eigentlich eine Vorbereitungszeit, eine ruhige Zeit. Wie stellen Sie sich das konkret vor?

Woelki: Advent ist die Vorbereitungszeit auf das Weihnachtsfest. Weihnachten wird zu Weihnachten und zu einem Fest, weil Gott in seinem Sohn Jesus Christus in die Welt kommt. Darauf muss man sich vorbereiten. Und ich finde, dass wir den christlichen Charakter des Advents stärker hervorheben können.

Wir warten auf den Immanuel, den Gott mit uns. Viele Menschen erfahren gerade den Advent mit seiner Atmosphäre, mit dem Licht, mit den Liedern als einen Ort, wo sie auch spürbar Nähe erfahren können. Und deshalb könnte ich mir vorstellen, dass wir in unseren Gemeinden und auch mit den Gemeinschaften hinausgehen auf die Plätze unserer Städte und Kommunen. Ich könnte mir vorstellen, dass wir einen großen Adventskranz aufhängen, dass wir uns meinetwegen am Freitagabend zu einer Vigilfeier dort treffen. Ein Bläserchor könnte Adventslieder spielen, ein Chor könnte singen, und es könnten kurze textliche Impulse gegeben werden. Menschen aus unseren Gemeinden können zum persönlichen Gespräch zur Verfügung stehen, wo andere sich alleine fühlen. Auf diesem Wege kann deutlich werden: Gott lässt die Welt und die Menschen nicht allein – und er lässt sie deshalb nicht allein, weil wir als Christen da sind und weil wir davon sprechen und singen. Und durch unsere menschliche Nähe zeigen wir auch, dass das wahr ist, dass Gott mit uns ist.

DORMADIO.DE: Viele dieser Adventsveranstaltungen, die Sie genannt haben, gibt es ja in der katholischen Kirche seit vielen Jahren. Man hat aber oft den Eindruck, die finden eher dann doch in den Pfarrsälen, in den Kirchen, in den Kapellen statt. Denken Sie daran, dass die Christen auch bewusst rausgehen, jetzt in der Corona-Zeit, mit Ihrem Glauben?

Woelki: Genau. Das ist ja eigentlich die große Chance. Die Weihnachtsmärkte finden vielerorts nicht statt. Kann es gelingen, dass wir zumindest mit unserem Angebot in diese Lücke hineingehen? Die Menschen müssen dann jetzt nicht auf die großen Weihnachtsmärkte nur verzichten, sondern wir können mit dem Gesprächsangebot, mit dem Zeugnis von der Botschaft des Advents, dass Gott im Kommen ist, dass er auf uns zukommt und dass wir eingeladen sind, neu auf ihn zuzugehen, – das können wir transportieren.

Ich glaube, dass die Gottesfrage für viele Menschen gerade jetzt auch in Corona-Zeiten eine ganz wichtige Frage ist. Womöglich auch die Frage, wie Gott das zulassen kann. Ich glaube, dass viele gerade auch spüren, wie sie durch Corona in ihrer Schutzbedürftigkeit, in ihrer Gebrechlichkeit und in ihrer Endlichkeit herausgefordert sind. Wir Christen können hier im Advent Zeugnis geben von unserem Glauben, dass Gott eben eine Antwort auf all diese Fragen selber darstellt.

DORMADIO.DE: Sie haben ja selber schon deutlich gemacht gleich zu Beginn der Corona-Krise, als Kommunen Obdachloseneinrichtungen, Essen-Speisungen eingestellt haben, haben sie das Priesterseminar geöffnet. Sie haben selber dafür gesorgt, dass die Obdachlosen verpflegt werden. Haben Sie sich für die Adventszeit auch schon konkret was Persönliches vorgenommen, wo Sie wieder einen Akzent setzen können?

Woelki: Das werden wir sehen. So weit bin ich noch nicht. Ich habe jetzt zunächst einmal diese Idee gehabt, als ich gehört habe, dass so viele Weihnachtsmärkte abgesagt haben. Aber ich werde mir sicherlich etwas einfallen lassen, und ich hoffe, dass das viele gemeinsam mit mir tun. Ich finde, dass das eine schöne Aufgabe und Herausforderung für unsere Gemeinden, Gemeinschaften und Verbände ist. So wie die Weihnachtsmärkte draußen stattfinden, können auch wir jetzt nach draußen gehen und von der Hoffnung und der Freude sprechen, die uns als Christen erfüllt, nämlich von der Freude und der Hoffnung, die Gott selber ist.

Das Interview führte Ingo Brüggenjürgen.


Quelle:
DR