Auswirkungen der Corona-Pandemie in Griechenland

Vermehrte Einreise von anerkannten Flüchtlingen

Sicherheitsbehörden weisen offenbar auf einer stärkere Einreise von bereits anerkannten Flüchtlingen aus Griechenland hin. Sie wollten demnach in Deutschland erneut Asyl beantragen.

Flüchtlinge sitzen vor ihrer Unterkunft vor einem Peace-Zeichen / © Oliver Killig (dpa)
Flüchtlinge sitzen vor ihrer Unterkunft vor einem Peace-Zeichen / © Oliver Killig ( dpa )

Laut einem der "Welt am Sonntag" vorliegenden internen Bericht des Gemeinsamen Analyse- und Strategiezentrums Illegale Migration kam es "seit Mitte Juni 2020 zu einem deutlichen Anstieg der Sekundärmigration auf dem Luftweg aus Griechenland nach Deutschland".

Hintergrund sei neben den Lockerungen der Corona-Maßnahmen, dass die griechische Regierung seit 1. Juni eine Regelung durchsetze, "wonach anerkannte Flüchtlinge nicht länger in ihren bislang bereitgestellten Unterkünften verbleiben dürfen". Ebenso seien "seitens der griechischen Migrationsbehörde vermehrt Reisedokumente für Flüchtlinge ausgestellt" worden.

Aufenthaltstitel samt Reiserecht

Der vertrauliche Bericht verweist der Zeitung zufolge darauf, dass Flüchtlinge mit ihrer Anerkennung gleichzeitig einen Aufenthaltstitel samt Reiserecht innerhalb des Schengen-Raumes erhalten, der zur legalen Einreise über Flughäfen oder Landgrenzen berechtigt. Diese Faktoren könnten laut dem Bericht schon bald "zu einem Anstieg der Asylerstanträge in Deutschland führen, da einige dieser Personen nach erfolgter Einreise bereits ein Schutzersuchen äußerten".

Momentan liegen die Erstantragszahlen dem Zeitungsbericht zufolge mit etwas mehr als 7.000 im Juli und August noch unter dem Niveau der Monate vor der Corona-Krise, als es meist rund 11.000 waren. Trotz der zwischenzeitlich wegen der Corona-Pandemie stark gesunkenen Ankunftszahlen verzeichne Deutschland auch 2020 eine stärkere Zuwanderung von Asylsuchenden als in den Jahren vor 2013.

Integration in Deutschland stagniert 

Fünf Jahre nach dem verstärkten Flüchtlingszuzug nach Deutschland stagniert aus Sicht des Islam-Experten Ahmad Mansour der Prozess der Integration. Es fehle ein Bewusstsein für die Aufgabe und eine Strategie, schreibt der Psychologe in einem Gastbeitrag für die "Welt" am Samstag.

"Integration ist nicht nur Sprache plus Arbeit minus Kriminalität." Sie werde auch durch die Vermittlung und die Verinnerlichung gemeinsamer Werte definiert. "Gefragt sind dafür beide Seiten", betonte Mansour, der in einer palästinensischen Familie in Israel geboren wurde.

Es braucht offene Debatten

Für die Integration seien Begegnungen unerlässlich. Zugleich müsse die Gesellschaft durchmischt werden, Parallelgesellschaften müssten verschwinden, betonte Mansour. "Dazu braucht es aber eine andere Wohn- und Schulpolitik."

Insgesamt seien offene Debatten nötig, um Brücken zu bauen. Diese Debatten müssten "ohne falschen Moralismus, dafür mit kritischer Selbstreflexion" geführt werden. Ein Wegschauen und die Vermeidung kritischer Themen seien keine Lösung. So überlasse man die Integration "höchstens den Rechtsradikalen" mit vermeintlich einfachen Lösungen für komplexe Probleme.

Abschiebungen dürfen kein Tabu sein

Sollte Integration misslingen, ist Deutschland nach den Worten Mansours gefordert, "selbstbewusst durchzugreifen und konsequent gegenüber denjenigen zu sein, die systematisch dieses Land verachten". Bei Verstößen gegen das Grundgesetz sei eine starke Rechtsstaatlichkeit unerlässlich. Auch Abschiebungen dürften kein Tabu sein. "Damit es nicht so weit kommt, lautet unsere Aufgabe: Demokratieerziehung, Anregung zu kritischem Denken und Hinterfragen und das Erlernen einer Debattenkultur." Diese Aufgabe sei für Flüchtlinge, aber auch für "alle Kinder dieser Republik" notwendig.

Von allen müsse die historische Verantwortung Deutschlands verinnerlicht werden, forderte der Psychologe. Genauso wenig wie der Antisemitismus von Deutschen dürfe der von muslimischen Flüchtlingen verharmlost werden. "Die Demokratie muss sich vor ideologischem Hass schützen." Integration sei nicht mit einem Orientierungs- und Sprachkurs erledigt, sondern ein Prozess, der Zeit brauche.


Flüchtlingssommer 2015 / © Sven Hoppe (dpa)
Flüchtlingssommer 2015 / © Sven Hoppe ( dpa )
Quelle:
KNA