Debatte um Wiederaufbau der Garnisonkirche

Im Kontext der Geschichte zeigen

Der Historiker Paul Nolte ruft in der Debatte über den Wiederaufbau des Potsdamer Garnisonkirchturms zu einem sachlichen Umgang mit der Geschichte auf. Die Garnisonkirchenstiftung müsse sich der Geschichte stellen.

Wiederaufbau der Garnisonkirche in Potsdam, Aufnahme aus dem Jahr 2020 / © Soeren Stache (dpa)
Wiederaufbau der Garnisonkirche in Potsdam, Aufnahme aus dem Jahr 2020 / © Soeren Stache ( dpa )

Nolte empfehle der Stiftung dabei "größtmögliche Offenheit und ein sehr kritisches Hinschauen", sagte er dem Evangelischen Pressedienst in Berlin: "Die Stiftung muss sich der schwierigen Geschichte dieser Kirche stellen, darf sich darauf aber nicht beschränken." Der Berliner Geschichtsprofessor ist Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats der Stiftung.

Die Stiftung sollte nicht zuletzt in der im Turm geplanten Ausstellung "die Garnisonkirche in den Kontext preußischer und deutscher Geschichte stellen", sagte Nolte. Die Geschichte müsse dabei "in ein Lernen für die demokratische Gegenwart und Zukunft" transformiert werden, bei dem Wunden sichtbar blieben. Ein Konzept für die Ausstellung werde derzeit entwickelt. Darin würden auch die aktuelle Baugeschichte und die Kontroversen um den Wiederaufbau "ihren Platz finden".

Geschichte Preußens aufarbeiten

"Selbstverständlich steht die Garnisonkirche für schlechte Traditionen der preußischen Geschichte", sagte Nolte: "Die sollen ja gerade sichtbar und diskussionsfähig werden, damit wir auch später noch wissen: Preußen, das waren nicht nur Traumschlösser und wertvolle Kulturgüter."

Vor Ort müsse deutlich gemacht werden, dass Preußen einerseits für Aufklärung stehe und am Ende der Weimarer Republik ein demokratisches Bollwerk gegen die Nationalsozialisten gewesen sei, sagte Nolte. Andererseits stehe Preußen zugleich für "Staatsvergottung und Militarismus".

Ausrichtung der kirchlichen Träger werde irgnoriert

Kritikern, die neben der Turmbaustelle vor wenigen Tagen einen eigenen Lernort eröffnet haben, warf Nolte vor, die Ausrichtung der kirchlichen Träger auf Friedens- und Versöhnungsarbeit werde "konsequent ignoriert". Er sehe mit Sorge, "dass derselbe Kritikerkreis sich gegen die Wahrnehmung der Wirklichkeit zunehmend abschottet", sagte der Historiker. Von "rechtsradikalen Einschreibungen" bei dem Projekt zu sprechen wie die Kritiker, grenze "an das, was wir momentan als Verschwörungsmythen diskutieren: Realitätsleugnung plus Überzeugtheit von geheimnisvollen bösen Kräften". Dies sei "kaum diskursfähig".

Zu möglichen Versäumnissen der Garnisonkirchenstiftung sagte Nolte, "im Rückblick hätte die Stiftung den Hebel früher umlegen und sich intensiver mit dem beschäftigen sollen, wofür die Garnisonkirche steht und was darin später einmal stattfinden soll". Dies betreffe die Ausstellung, die Bildungsarbeit und das, "was mit diesem Gebäude eigentlich erinnert werden soll".


Historiker Paul Nolte / © Juergen Blume (epd)
Historiker Paul Nolte / © Juergen Blume ( epd )
Quelle:
epd