Die Berliner Historiker Ralf Balke und Julien Reitzenstein verstehen ihre Petition für eine Umbenennung der nach dem früheren Papst Pius XII. (1939-1958) benannten Pacelliallee in Berlin nicht als kirchenfeindliche Aktion. "Den Anstoß zweier Historiker zu einer differenzierten Debatte pauschal zu einer 'antikatholischen Kampagne' zu machen, sagt mehr über die Debattenkultur als über unsere Initiative", sagte Reitzenstein am Dienstag dem Internetportal katholisch.de.
Die Petition thematisiere lediglich "einzelne Handlungen im langen Leben einer von unzähligen Personen" in der 2.000-jährigen Geschichte der katholischen Kirche.
Golda Meir statt Pius XII.?
Die Historiker fordern, die im Stadtteil Berlin-Dahlem gelegene Pacelliallee nach der bislang einzigen israelischen Ministerpräsidentin in Golda-Meir-Allee umzubenennen. Sie werfen Pacelli, wie Pius bürgerlich hieß, vor, er habe die Deportation von Juden in Italien unkommentiert geschehen lassen. Der Antisemitismusbeauftragte des Bundesregierung, Felix Klein, signalisierte seine Unterstützung für das Anliegen.
Die Apostolische Nuntiatur in Berlin hatte die Petition hingegen kritisiert. Die Vorwürfe gegen Pacelli, der von 1920 bis 1929 Nuntius im Deutschen Reich war, seien "hinlänglich bekannt". Sie trügen "lange schon Züge einer Kampagne" und es müsse ihnen widersprochen werden. "Wenn die Forderung erhoben wird, in Berlin keine Straße mehr nach Eugenio Pacelli zu benennen, weil er nicht 'vernehmlich genug' war, so ist das schlicht unseriös", erklärte die vatikanische Botschaft.
Laut katholisch.de sind noch in 16 weiteren Städten und Gemeinden Straßen oder Plätze nach Pacelli benannt. Dort gebe es jedoch bislang keine ähnlichen Debatten wie in Berlin. Lediglich die Oberhausener Pacellistraße sei 2012 in Christoph-Schlingensief-Straße umbenannt worden.
Kontroverse seit Jahrzehnten
Die Kontroverse um die Rolle Pius XII. im Zweiten Weltkrieg besteht seit Jahrzehnten. Den Vorwürfen, dieser habe nicht energisch genug gegen den Holocaust protestiert, stehen dabei Hinweise auf diplomatische Initiativen und aktive Gegenmaßnahmen des Papstes gegenüber.
So öffnete Pius XII. während der deutschen Besatzung Italiens ab September 1943 viele kirchliche Einrichtungen in Rom für untergetauchte Juden und rettete so Tausende vor dem Zugriff der SS und der Gestapo. Kritiker werfen ihm vor, dass er den Völkermord nicht vor der Weltöffentlichkeit verurteilt und so als moralische Stimme versagt habe. Im März gab der Vatikan die Aktenbestände aus dem Pacelli-Pontifikat für die historische Forschung frei.