Nach antisemitischem Angriff in Hamburg

Mehr Schutz für jüdisches Leben gefordert

Vertreter aus Politik und Judentum fordern einen besseren Schutz für jüdische Einrichtungen. Der Präsident des Zentralrats der Juden hält zudem mehr Aufklärung und Bildung über jüdisches Leben in Deutschland für wichtig.

Junge mit Kippa (shutterstock)

Nach dem antisemitischen Angriff in Hamburg fordern Vertreter aus Politik und Judentum bessere Sicherheitskonzepte für jüdische Einrichtungen. "Wenn Veranstaltungen oder Gottesdienste stattfinden, brauchen wir einen wirksamen entsprechenden Schutz, der so gestaltet sein muss, dass die Polizisten jederzeit einsatzbereit sind", sagte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Dienstag).

Schutz gegen Gewalt

Er sehe im Moment keine andere Möglichkeit; das zeige auch der jüngste Vorfall in Hamburg. Mit Blick auf den Anschlag in Halle am 9. Oktober 2019 erklärte Schuster, "wenn in Halle vor der Synagoge eine Polizeistreife gestanden hätte, weiß ich nicht, ob der Attentäter es überhaupt versucht hätte."

Ähnlich äußerte sich der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein. "Bund und Länder sind in hohem Maße bemüht, den Schutz jüdischer Einrichtungen zu verbessern", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Dienstag). Vor zwei Wochen habe die Bundesregierung 22 Millionen Euro zusätzlich für bauliche Schutzmaßnahmen bereitgestellt im Rahmen einer Vereinbarung zwischen dem Bundesinnenministerium und dem Zentralrat der Juden. "Die Länder sind nun aufgefordert, eigene Mittel bereit zu stellen und konkrete Sicherheitskonzepte auszuarbeiten", fügte er hinzu. Sie seien im Rahmen des Föderalismus zuständig und nähmen die Zuständigkeit seiner Kenntnis nach auch ernst.

Jüdisches Leben aktiv fördern

Man müsse "die jüdische Gemeinschaft insgesamt besser schützen", auch im Alltagsleben, sagte Klein. "Das geht nur, wenn wir jüdisches Leben aktiv fördern. Das ist genauso wichtig wie der Kampf gegen den Hass."

Mit Unverständnis reagierte Josef Schuster zudem auf eine Erklärung des Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (CDU), zum Jahrestag des Anschlags von Halle. Der wäre nach Haseloffs Worten nicht passiert, wenn es mehr Versöhnung gegeben hätte. "Ich verstehe ihn überhaupt nicht", sagte Schuster. Er wisse nicht, wer sich im Vorfeld mit wem hätte versöhnen sollen, damit diese Tat verhindert worden wäre.

"Lasche" Anwendung von Recht

Die Beweissituation im Prozess gegen den Attentäter von Halle ist nach Schusters Einschätzung "ziemlich klar". Er wolle weitere Urteile bei antisemitischen Straftaten abwarten. Sein Eindruck der letzten Jahre sei, dass die Gerichte in solchen Fällen zu lasch Recht gesprochen hätten. Doch mit der Präzisierung des Strafgesetzbuches, wonach antisemitische Motive strafverschärfend wirkten, "haben wir einen wichtigen Schritt getan", betonte er weiter.

Obwohl die Motivlage noch unklar ist, stuft Schuster den Angriff am Sonntag in Hamburg "klar als antisemitisch" ein. Der Vorfall solle genau analysiert werden, um gegebenenfalls Schwachstellen aufzudecken und zu beseitigen. Schuster sagte, "ob das Zufall ist, wissen wir nicht, da der Täter offenbar stark geistig verwirrt wirkte. Dennoch erfüllt uns das natürlich mit Sorge, dass wieder an einem Feiertag, wenn Außenstehende davon ausgehen können, dass sich Menschen in der Synagoge aufhalten, ein Angriff erfolgt ist."

Prävention verstärken

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) erklärte, das Strafrecht allein reiche nicht gegen Antisemitismus. "Wir müssen mehr für die Prävention tun, an Schulen, Bildungseinrichtungen und überall sonst, wo sich Menschen begegnen", sagte sie der "Passauer Neuen Presse" (Dienstag).
"Dass Jüdinnen und Juden in Deutschland Zielscheibe eines solchen Hasses werden, ist eine Schande für unser Land", betonte sie. "Dieser Hass und diese Gewalt dürfen niemals Alltag sein. Wir dürfen uns hieran nie gewöhnen und müssen uns jeglicher Form von Antisemitismus mit aller Kraft entgegenstellen. Das gilt für die Politik, den Rechtsstaat und unsere Zivilgesellschaft, aber auch für jede und jeden Einzelnen." Sie sprach sich für ein "Demokratiefördergesetz" aus, um Initiativen für eine friedliche und offene Gesellschaft zu unterstützen.

Aufklärung über jüdisches Leben in Deutschland

Um antisemitische Gewalttaten besser zu verhindern, fordert der Zentralrat der Juden in Deutschland mehr öffentliche Information über jüdisches Leben. "Wir brauchen eine bessere Aufklärung und Bildung der Bevölkerung", sagte Josef Schuster. "Es geht darum, das Judentum, jüdisches Leben bekannter zu machen - nicht immer im Zusammenhang mit der Schoa, nicht nur aus der Opferperspektive," ergänzt der Zentralratspräsident. Jüdisches Leben sollte etwas Selbstverständliches sein. Schuster wies darauf hin, dass im kommenden Jahr 1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland gefeiert werden: "Das Judentum ist nichts Exotisches."

Geistig verwitter Angreifer

Nach der Attacke auf einen jüdischen Studenten vor der Hamburger Synagoge wurde der Angreifer vorerst in eine psychiatrische Einrichtung eingewiesen. Ein Haftrichter habe einen Unterbringungsbefehl gegen den 29-jährigen Deutschen mit kasachischen Wurzeln erlassen, sagte ein Sprecher der Hamburger Polizei. Man gehe von einer mindestens eingeschränkten Schuldfähigkeit des Mannes aus.

Die Hamburger Behörden schätzen die Tat demnach als versuchten Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung ein - mit mutmaßlich antisemitischem Hintergrund. Der in Bundeswehruniform gekleidete Angreifer hatte am Sonntag vor der Hamburger Synagoge einem Kippa tragenden 26-Jährigen mit einem Spaten eine schwere Kopfverletzung zugefügt. Sicherheitskräfte konnten den Angreifer überwältigen.


Josef Schuster / © Harald Oppitz (KNA)
Josef Schuster / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA , epd