Die Aachener Heiligtumsfahrt im kommenden Jahr erlebt er als Ruheständler. Doch innerlich ist der Aachener Altbischof Heinrich Mussinghoff der Wallfahrt verbunden wie eh und je. Deshalb stiftete er vor wenigen Wochen auch das neue Schloss, mit dem der Marienschrein mit den Aachener Tuchreliquien nach dem alle sieben Jahre stattfindenden Ereignis wieder verschlossen wird.
Die Goldschmiedearbeit zeigt ein Regenbogenkreuz - und damit eine ganz persönliche Seite Mussinghoffs. Denn ein Pilgerzeichen dieser Art entdeckte er an einem Felsen im Heiligen Land - immer wieder Reiseziel des Bischofs, der am Donnerstag 80 Jahre alt wird.
20 Jahre an Aachener Bistumsspitze
Der Geistliche aus dem Münsterland stand mehr als 20 Jahre an der Aachener Bistumsspitze, bevor er vor gut fünf Jahren aus dem Amt schied. Er zählt zu den Bischöfen mit einer ruhigen und bedächtigen Art. Ihm liegt mehr der Dialog als die polarisierende Medienschlacht.
Der 1940 in Osterwick nahe Coesfeld geborene Bischof hat sich in ganz verschiedenen Sachbereichen als Experte erwiesen. Seine ausgleichende Art dürfte dazu beigetragen haben, dass er lange Jahre stellvertretender Vorsitzender der Bischofskonferenz war. Und seit 1995 gehört der promovierte Kirchenrechtler dem obersten Kirchengericht an, der Apostolischen Signatur in Rom.
Beziehungen zum Judentum sind ein Herzensanliegen
Eines seiner Herzensanliegen, die Beziehungen zum Judentum, lässt ihn nicht nur häufig nach Israel reisen. Nach seiner Bischofsweihe am 11. Februar 1995 galt sein erster Besuch der jüdischen Gemeinde in Aachen - als Zeichen der Verbundenheit und Versöhnung. Als einmal Neonazis in der Stadt demonstrierten, setzte er ein stilles Protestzeichen und nahm am Sabbatgebet in der örtlichen Synagoge teil. Seinem persönlichen Interesse entsprach es auch, die Unterkommission für die Beziehungen zum Judentum der Bischofskonferenz zu leiten.
Bei einem vielbeachteten Besuch in Polen bekannte Mussinghoff die Schuld der Kirche in der NS-Zeit und ein Versagen der deutschen Bischöfe, die den "Angriffskrieg auf das katholische Land Polen" nicht laut verurteilt hätten.
Mussinghoff konnte auch überraschend deutlich werden
Auch wenn Mussinghoff ein Mann der eher leisen Töne ist, so konnte er mitunter überraschend deutlich werden: So bedauerte er den von Papst Johannes Paul II. verfügten Ausstieg der Kirche aus der gesetzlichen Schwangerenkonfliktberatung mit Ausstellung des Beratungsscheins. Auch die Entscheidung von Papst Benedikt XVI., die Exkommunikation der Piusbruderschaft-Bischöfe aufzuheben, verfolgte er mit Skepsis.
Mussinghoff blickt auf gute und bewegte Amtszeit zurück
Bei seinem Ausscheiden sprach Mussinghoff von einer guten und bewegten Amtszeit. Dabei verschwieg er nicht die Schwierigkeiten wie den Rückgang von Katholiken und Priestern oder die Finanzkrise, welche die Diözese 2003 erwischte. Innerhalb von drei Jahren senkte sie den Haushalt um 60 Millionen Euro, was schmerzliche Stellenstreichungen bedeutete. Der Bischof hat die «schweren Zeiten» und das harte Ringen um Lösungen nicht vergessen.
Trotz aller Krisen wehrt er sich gegen Missmut. "Ich fürchte nicht die kleiner werdende Zahl", betont er. Bedenklich sei vielmehr, in eine Nörgel-Stimmung zu verfallen. Demgegenüber gelte es, die Freude des Evangeliums zu leben. Überhaupt habe das Christentum nach wie vor einen hohen Stellenwert in der Gesellschaft.
Reform der Gemeindeleitung wurde umgesetzt
Mussinghoff trug noch andere Punkte in seine persönliche Bilanz ein. Um die immer weniger werdenden Priester zu entlasten, hat er die von seinem Vorgänger Klaus Hemmerle angestoßene Reform der Gemeindeleitung umgesetzt. Die 540 Pfarreien zu Beginn seiner Amtszeit führte er zu 71 "Gemeinschaften der Gemeinden" zusammen.
Unter den verschiedenen Formen der Gemeindeleitung gibt es ein Modell, in dem Pfarrer sowie gewählte Ehrenamtliche ein Team bilden. Daran hielt der Bischof trotz römischer Einwände fest, wie Mussinghoff nicht ohne einen gewissen Stolz betonte. Zusammenarbeit ist für ihn der Schlüssel für die künftige Seelsorge. Nur so könnten die Katholiken künftig Präsenz zeigen und "Kirche in Rufnähe" bleiben - ein Gedanke, der auch in der aktuellen kirchlichen Reformdebatte immer wieder zu hören ist.