Trotz aller Klagen wegen schlechter Bezahlung und Überlastung in den Pflegeberufen: 2019 haben sich so viele Menschen in Deutschland wie nie zuvor für eine Ausbildung in Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege entschieden. Unklar ist, ob das bereits mit der am 1. Januar 2020 in Kraft getretenen Reform der Pflegeausbildung zu tun hat, die die Pflegeberufe attraktiver machen soll. Zehn Prozent mehr Auszubildende - dieses Ziel hatten sich Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD), Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) gesetzt.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes traten 8,2 Prozent mehr Menschen eine Pflegeausbildung an als 2018. Insgesamt waren es 71.300 Auszubildende und damit 5.400 Menschen mehr. Gegenüber 2009 war das sogar ein Plus um 39 Prozent. Zugleich schlossen 2019 rund 44.900 Personen ihre Ausbildung in einem Pflegeberuf erfolgreich ab - ein Plus von 25 Prozent gegenüber 2009.
Positive Entwicklung sorgt für Optimismus
Dabei bleibt der Pflegeberuf - mit 75 Prozent - weiter vorwiegend weiblich. Der Männeranteil stieg jedoch von 19 Prozent 2009 auf mittlerweile 25 Prozent. Den stärksten Zuwachs an Nachwuchs verzeichnete die Altenpflege: von 19.400 im Jahr 2009 auf 27.300 im Jahr 2019 (plus 41 Prozent). Auch der Ausbildungsgang der Gesundheits- und Krankenpflege gewann mit 26.600 Anfängern 2019 rund 5.200 mehr Menschen als zehn Jahre zuvor (21.400).
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz zeigte sich angesichts dieser Entwicklung vorsichtig optimistisch. "Positiv ist, dass es vor allem in der Altenpflege gelungen ist, einen Zuwachs zu verzeichnen" erklärte Vorstand Eugen Brysch. Nun gelte es, den Nachwuchs im Job zu halten. Wichtig seien "angemessene Löhne, verlässliche Arbeitszeiten und eine gute Work-Life-Balance" sowie mehr Verantwortung.
Verschiedene Werbekampagnen gestartet
Die Bundesregierung hatte im Oktober 2019 eine breite Werbekampagne für den Pflegeberuf gestartet. "Mach Karriere als Mensch", heißt das Motto der Initiative, die mit forschen Sprüchen das Image die Personalnot im Pflegeberuf lindern soll: "Infusion in Deine Zukunft", heißt es da. "Mehr echte Likes gibt's nirgends".
Die auf Youtube veröffentlichte Video-Serie des Bundesfamilienministeriums unter dem Titel "Ehrenpflegas" stieß allerdings zumindest bei den Berufsverbänden auf wenig Gegenliebe: So distanzierten sich etwa der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) sowie der Bundesverband Pflegemanagement von der Darstellung.
Die Videos stellten weder den Arbeitsalltag eines Pflegenden noch die Professionalität oder die Werte, für die die Pflege stehe, richtig dar. Die Werbekampagne begleitet die Einführung der neuen Pflegeausbildung, die nach Jahren der Auseinandersetzung am 1. Januar in Kraft trat: Seitdem erhalten die bisher getrennt ausgebildeten Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpfleger eine gemeinsame Ausbildung - zumindest in den ersten beiden Jahren.
Mehr Anforderungen an das Pflegepersonal
Im Mittelpunkt stehen zudem stärker als zuvor die praktischen Kompetenzen: Pflegefachkräfte sollen für die Pflegeplanung, den Pflegeprozess und die Sicherung der pflegerischen Qualität allein zuständig sein. Es handelt sich um eine "quasi-duale Ausbildung", die in Schule und Betrieb erfolgt.
Die Reform eröffnet darüber hinaus erstmals die Möglichkeit, den Berufsabschluss in einem dreijährigen Hochschulstudium zu erwerben. Damit soll Wissen aus der Forschung möglichst schnell in die Praxis übernommen werden. Experten sind sich einig, dass der demografische Wandel die Anforderungen an das Pflegepersonal stark erhöht.
Lohnangleichung und bessere Karrierechancen
Ein Altenpfleger benötigt für seine tägliche Arbeit zunehmend mehr Fachwissen in der Krankenpflege - weil die Zahl schwer kranker Bewohner in den Heimen zunimmt. Und Krankenpfleger haben in den Kliniken immer häufiger mit älteren und dementen Menschen zu tun. Deshalb sollen Pflegende leichter zwischen den unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen wechseln können und Aufstiegsmöglichkeiten erhalten.
Zudem sei eine Angleichung der Löhne beabsichtigt - für die bislang deutlich schlechter bezahlte Altenpflege eine gute Nachricht. Auch soll die Ausbildung damit EU-kompatibel werden. Das zuvor teilweise noch erhobene Schulgeld wurde abgeschafft.