Als Hoffnungsträger und strahlender Held ist John F. Kennedy im Amt des US-Präsidenten in Erinnerung geblieben. Seine Ermordung 1963 bewegte Millionen Menschen rund um den Globus. Bei alledem ist in den Hintergrund getreten, wie schwer sich der Spross einer einflussreichen Familie mit irischen Wurzeln beim Griff nach dem höchsten Amt der Vereinigten Staaten tat. Vor 60 Jahren, am 8. November 1960, wurde Kennedy gewählt.
"Niemals einem Katholiken die Stimme geben"
Eigentlich hatte sein ehrgeiziger Vater Joe Kennedy Johns älteren Bruder für eine politische Karriere auserkoren. Doch der fiel 1944 im Zweiten Weltkrieg. Stattdessen lastete der Druck auf den Schultern des schmächtigen "Jack", dessen schwache Gesundheit und mangelnde Ernsthaftigkeit ihn nicht unbedingt für eine öffentliche Karriere qualifizierten. Zu einem echten Stolperstein drohte dem Frauenschwarm- und Schürzenjäger - seine Zugehörigkeit zur katholischen Kirche zu werden.
Bis 1830 hatten protestantische Einwanderer die Geschicke der USA gelenkt, angefangen bei der mythisch überhöhten Landung der ersten englischen Siedler, der streng puritanischen "Pilgerväter", im November 1620. Noch im Mai 1959, so schreibt Kennedy-Biograf Robert Dallek, erklärten 24 Prozent der Wähler, niemals einem Katholiken die Stimme zu geben, "selbst wenn er das Zeug zu einem Präsidenten hätte". Die Katholiken, so lautete ein gängiges Vorurteil, stellten ihren Glauben über das Wohl des Staates - entgegen der im ersten Zusatzartikel zur Verfassung festgelegten Trennung von Kirche und Staat.
Religionsfrage bekommt entscheidende Bedeutung
Kennedy, unterstützt unter anderen durch seinen Bruder Robert, musste Überzeugungsarbeit leisten. Umso mehr, da selbst manche demokratische Parteifreunde Jacks Religionszugehörigkeit mit der millionenschweren Unterstützung durch den Vater verknüpften. "Es ist nicht der Papst, es ist der Papa", ätzte Harry Truman, selbst von 1945 bis 1953 Präsident. Kennedy konterte derlei Anwürfe. Er habe "gerade ein Telegramm meines großzügigen Daddy erhalten", verkündete er auf einer Veranstaltung. "Lieber Jack, kaufe nicht eine Stimme mehr als nötig - ich werde den Teufel tun und einen Erdrutsch finanzieren."
Im Duell mit dem schon damals für seine schmutzigen Tricks bekannten republikanischen Präsidentschaftskandidaten Richard Nixon musste Kennedy dann freilich nachlegen. Weil das Profil beider Kandidaten teilweise zu schwach sei, bekomme die Religionsfrage eine "entscheidende Bedeutung", informierte Berater John Kenneth Galbraith die Brüder Kennedy.
Hauchdünner Sieg für Kennedy
Als entscheidende Wende gilt ein Auftritt Jacks am 12. September 1960 vor einer Gruppe protestantischer Pfarrer im texanischen Houston - gut zwei Wochen vor dem TV-Duell mit Nixon, dem ersten in der Geschichte der US-Wahlkämpfe. "Ich bin nicht der katholische Kandidat für das Präsidentenamt, sondern ich bin der Kandidat der Demokratischen Partei, der zufällig auch Katholik ist", betonte ein kämpferischer Kennedy. "Sollte diese Wahl auf der Voraussetzung entschieden werden, dass 40 Millionen Amerikaner mit dem Tag ihrer Taufe die Möglichkeit, Präsident zu werden, verloren haben, dann ist diese Nation der eigentliche Verlierer."
"Mein Gott, seht ihn euch an!", frohlockte ein Beobachter. "Er wickelt sie um den Finger!" Aber das Wahlresultat blieb hinter den Erwartungen des Kennedy-Lagers zurück. Mit einem hauchdünnen Vorsprung von 118.574 Stimmen gelang Jack der Einzug ins Weiße Haus - als erstem Katholiken.