Leutheusser: Regierung wird kein Sterbehilfe-Gesetz machen

"Wunsch nach Selbsttötung respektieren"

Ex-Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger geht davon aus, dass der Bundestag in dieser Legislaturperiode die Sterbehilfe nicht mehr gesetzlich regelt. Für den Vatikan bleiben aktive Sterbehilfe und assistierter Suizid weiter ethisch verboten.

Autor/in:
Michael Jacquemain
Tablette auf Totenkopfsymbol / © Jörg Loeffke (KNA)
Tablette auf Totenkopfsymbol / © Jörg Loeffke ( KNA )

Die Regierung tue nichts, um eine Gesetzgebung in Gang zu setzen. Da aber bei dem Thema eine breite gesellschaftliche Debatte und im Bundestag ein Prozess mit Anhörungen und Beratungen notwendig sei, ist aus ihrer Sicht "die Uhr für diese Legislaturperiode abgelaufen". Sie äußerte sich beim 15. Karlsruher Verfassungsdialog. Dabei ging es um "Sterbehilfe - Auf dem Weg zu einem rechtlichen Rahmen."

Das Bundesverfassungsgericht hatte im Februar das Verbot der geschäftsmäßigen, wiederholten Hilfe zum Suizid gekippt. Das im Grundgesetz garantierte Persönlichkeitsrecht umfasse ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben, so die Richter. Das schließe die Freiheit ein, auf freiwillige Hilfe Dritter zurückzugreifen. Parallel gibt es eine juristische Auseinandersetzung, ob der Staat in begrenzten Fällen ein tödliches Mittel bereitstellen muss. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hatte das 2017 verlangt, Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) setzt das aber nicht um.

Für Leutheusser-Schnarrenberger muss ein Gesetz gesellschaftlich eine Atmosphäre erzeugen, in der der Wunsch nach einer Selbsttötung respektiert wurde. Als sehr schwierig bezeichnete die Juristin die Fälle, in denen Menschen nicht wegen einer Erkrankung, sondern wegen einer akuten Notlage aus dem Leben scheiden wollten. Wie, so die FDP-Politikerin, soll die Nachhaltigkeit des Sterbewunsches geklärt werden? Nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil muss allerdings auch eine solche Entscheidung respektiert werden.

Für den emeritierten Tübinger Ethiker Dietmar Mieth hat das Gericht mit seiner Entscheidung "einen Schlagbaum angehoben", und es stelle sich die Frage, wie groß die Öffnung sei. Der katholische Theologe betonte, individuelle Gesichtspunkte spielten beim Umgang mit dem Tod eine wichtige Rolle, aber es sei "schwierig, das rechtlich zu klären. Viele Probleme lassen sich nicht durch Paragrafen lösen." Mieth verlangte, den Begriff der menschlichen Würde weit zu fassen und nicht juristisch zu reduzieren; so gebe es auch eine soziale Dimension, weil die Menschen miteinander "verzahnt" seien.

Der Präsident der Landesärztekammer Baden-Württemberg, Wolfgang Miller, sagte, viele Mediziner seien über das Urteil "verunsichert und schockiert". Die Diskussion innerhalb der Ärzteschaft zum Umgang mit der Entscheidung sei nicht abgeschlossen. Es sei keine ureigenste Pflicht von Ärzten, beim Sterben zu helfen. Die Bundesvorsitzende der Humanistischen Union (HU), Rosemarie Will, forderte eine Änderung des Berufsrechts. Bei zehn Landesärztekammern sei es im Standesrecht verboten, bei einer Selbsttötung mitzuhelfen. Aber Ärzte seien auch notwendig, damit die entsprechenden Präparate verschrieben würden.

Zu Beginn hatte der ehemalige Vorsitzende Richter am Bundesgerichtshof (BGH), Thomas Fischer, dazu aufgerufen, "auf die 80 Prozent der Bevölkerung zu hören, die selbst über ihr Leben bestimmen" wollten, was keine Auswirkungen auf die anderen 20 Prozent habe. Es gelte, die Freiheit zu fördern und nicht zu hemmen. Der Jurist betonte, ein Sterbewunsch müsse sorgfältig geprüft werden, etwa durch Ethikkommissionen; diese Klärung müsse "halbwegs bürokratisch, aber mit viel Empathie" erfolgen.

Aus Sicht des Vatikan bleiben aktive Sterbehilfe und assistierter Suizid weiter ethisch verboten. In einem im September veröffentlichten Papier bekräftigt die Glaubenskongregation die katholische Lehre, nach der solche Schritte die ethischen und rechtlichen Grenzen der Selbstbestimmung überschreiten. Zugleich wendet sich die Vatikanbehörde gegen einen "unverhältnismäßigen und entmenschlichenden Einsatz von Technologien", vor allem in den kritischen Phasen des Lebens. Das 23 Seiten umfassende Schreiben auf Italienisch trägt den Titel "Samaritanus bonus" ("Der barmherzige Samariter").


Quelle:
KNA
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