Von Schirach auf allen Kanälen. Im September hat der Bestsellerautor Ferdinand von Schirach (56) sein Theaterstück "Gott" in Berlin und Düsseldorf erstmals auf die Bühne gebracht. Wenig später ist das Stück, das sich mit dem Thema Sterbehilfe, Recht auf Suizid und Selbstbestimmung am Lebensende auseinandersetzt, auch als Buch erschienen. Am Montag zeigt die ARD auch den Film zum Theaterstück. Anschließend können die Zuschauer selber abstimmen.
Die TV-Besetzung ist hochkarätig - mit Barbara Auer, Lars Eidinger, Matthias Habich, Ulrich Matthes, Anna Maria Mühe, Christiane Paul, Götz Schubert und Ina Weisse. Zeitgleich sollte "Gott" auch in Österreich und der Schweiz laufen. Der österreichische Sender ORF entschied aber nach dem Terroranschlag von Wien am 2. November, die Ausstrahlung zu verschieben. Einen neuen Sendetermin gibt es noch nicht.
Das Theater als moralische Anstalt
Wem gehört unser Leben? Wer entscheidet über unseren Tod? In Schirachs Stück will sich ein 78-jähriger Mann das Leben nehmen.
Richard Gärtner ist geistig und körperlich gesund. Genug Zeit also für Reisen, Bücher und Enkelkinder. Aber weil seine Ehefrau gestorben ist, ist er lebensmüde. Als seine Ärztin und auch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte die Verschreibung eines tödlichen Mittels ablehnen, bringt er die Sache vor einen Ethikrat.
Auf dieser Bühne beziehen Mediziner, Juristen, auch ein Bischof, Stellung. Das Theater als moralische Anstalt: Schirach bringt Pro und Contra in geschliffenen Plädoyers auf den Tisch, ohne dass er für eine bestimmte Position wirbt. "Man schwankt das ganze Stück über hin und her", beschrieb er im "Spiegel"-Gespräch die Intention seines Werks. Beteiligte Schauspieler wie Ulrich Matthes und Matthias Habich bekundeten im Vorfeld aber Sympathie für ein Recht auf Hilfe zum Sterben.
Das Thema Suizid ist virulent: Im Februar hat das Bundesverfassungsgericht ein weit reichendes Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben formuliert. Es schließe die Freiheit ein, auch die Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen, so die Karlsruher Richter.
Schirach wiederholt in "Gott" ein sehr erfolgreiches Muster. Der Zuschauer soll in einer ethisch heiklen Frage entscheiden, wo er steht. Vor fünf Jahren kam sein Werk "Terror" auf die Bühne, das ebenfalls als Fernsehfilm umgesetzt wurde. Es ging um die Frage, ob ein entführtes, voll besetztes Passagierflugzeug, das auf ein ebenfalls voll besetztes Fußballstadion zurast, abgeschossen werden darf. Soll der Bundeswehrsoldat, der das gekaperte Flugzeug mit einer Rakete abschießt, um Schlimmeres zu verhindern, schuldig gesprochen werden? Über eine halbe Million Menschen beteiligten sich an der Abstimmung dazu, mehr als 60 Prozent stimmten für Freispruch.
Bischof begründet sein Nein zum Suizid
Soll ein Arzt beim Suizid helfen? Verweigert man psychisch Kranken möglicherweise notwendige Hilfe? Wird Druck auf alte und kranke Menschen ausgeübt, den Angehörigen nicht länger zur Last zu fallen?
Solche Fragen stellt von Schirach. Auch eine junge Frau wird zum Thema, die sich aus Liebeskummer das Leben nehmen will. Ist die Selbstbestimmung zu jedem Zeitpunkt absolut?
Der Bischof begründet sein Nein zum Suizid auch mit dem von Gott geschenkten Leben. Über Jahrhunderte hat die Kirche deshalb Suizide als schwere Sünde gebranntmarkt und "Selbstmörder" verurteilt. Aber ist es in einem säkularen Staat richtig, sich in der Gesetzgebung auf Religion zu beziehen?
Wie in "Terror" sind auch diesmal die Zuschauer eingeladen, nach der ARD-Sendung multimedial abzustimmen und mit zu diskutieren. Am Ende richtet sich die Ethikratsvorsitzende (Barbara Auer) an das Publikum:
Soll Richard Gärtner das tödliche Präparat bekommen, um sich selbstbestimmt das Leben zu nehmen?
Anschließend wird Frank Plasberg die Zuschauerentscheidung in seiner Sendung "Hart aber fair" mit Experten erörtern. Gesprächspartner sind dann laut ARD der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Limburger Bischof Georg Bätzing, die Medizinethikerin Bettina Schöne-Seifert, der Sprecher des Sterbehilfevereins Dignitas-Deutschland, Florian Willet, sowie die Ärztin und Vorsitzende der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Susanne Johna.