Weihnachten steht derzeit bei der Politik hoch im Kurs

Zwischenstopp im Corona-Marathon

Weihnachten ist für viele Deutsche das wohl wichtigste Fest im Jahreslauf. Deshalb tut die Politik derzeit vieles, um auch in Corona-Zeiten eine ungestörte Feier zu ermöglichen. Doch für Christen ist ein anderes Fest viel wichtiger.

Autor/in:
Christoph Arens
Peter Altmaier / © Michael Kappeler (dpa)
Peter Altmaier / © Michael Kappeler ( dpa )

Weihnachten steht derzeit ganz hoch im Kurs. Von Friedrich Merz bis Peter Altmaier: Die Politik will das christliche Fest gegen das Corona-Virus retten. "Lieber jetzt einen längeren Lockdown als eine komplette Ausgangsbeschränkung über Weihnachten", sagt Markus Söder.

Auch Pastorentochter Angela Merkel stellt eine Belohnung in Aussicht: "Wenn wir im November alle sehr vernünftig sind, dann werden wir uns mehr Freiheiten zu Weihnachten erlauben können", mahnt die Kanzlerin. Das Christfest als Zwischenstopp im Corona-Marathon. Als Signal, dass das gewohnte Leben zurückkehren könnte.

Ostern als wichtigstes christliches Fest

Auch in Talk-Shows heißt es immer wieder, dass Weihnachten das gefühlsbeladenste Fest der Deutschen und auch das wichtigste Fest der Christen sei. Doch das ist ein Irrglaube. Zentrales Ereignis des christlichen Glaubens ist die Auferstehung Jesu an Ostern. Das spiegelt sich auch in der Kirchengeschichte. Denn das Weihnachtsfest entstand erst viel später - im vierten Jahrhundert.

Die junge Kirche hat sich zunächst ganz auf Ostern konzentriert, schreibt auch der Kölner Germanist Karl-Heinz Göttert (77) in seiner Biografie des Weihnachtsfestes. Weihnachten war eine späte Zutat: Erst als das Christentum sich stabilisiert hatte, befassten sich die frühen Christen mit der Frage, wann der Erlöser geboren wurde - und wann man dies feiern könnte.

Bis heute hat sich das Weihnachtsfest laut Göttert immer wieder neu erfunden: vom religiösen Geburtsfest über ein bürgerliches Geschenk- und Familienfest im 18. Jahrhundert bis zum Konsumrausch von heute.

Kirche entwickelte das Weihnachtsfest weiter

Vom frühen Mittelalter an kleidete die Kirche das Fest - genau so wie zuvor Ostern - nach und nach in einen breiteren Festkreis - mit Advent, heiliger Barbara und Nikolaus, den Gedenktagen der Märtyrer Stephanus und der unschuldigen Kinder bis zu den Heiligen Drei Königen. Eine Liturgie wurde entwickelt, Musik und Schauspiel gaben dem Fest einen immer ausgefeilteren Rahmen.

Doch Göttert betont: Lange war Weihnachten vor allem ein Fest für Kleriker - und nicht für das einfache Volk. Das änderte sich im Spätmittelalter, als biblische Geschichten auch als Theater aufgeführt wurden - zunächst in den Kirchen, dann verstärkt auf Marktplätzen. Die lateinischen Texte wurden durch volkssprachliche ersetzt, die frommen Erzählungen mit derben Szenen ergänzt. Im Wettstreit mit Ostern machte Weihnachten immer mehr Boden gut.

Das "abergläubischste" aller Feste

Eine Dynamik, die die Reformatoren im 16. Jahrhundert aufhalten wollten. Luther schätzte zwar das Fest, dichtete sogar bedeutende Weihnachtslieder, verurteilte aber die Nikolaus-Verehrung und unbiblisches Brauchtum. Insbesondere die Puritaner in England und den USA verboten Weihnachten zeitweise als das "abergläubischste" aller Feste. Auch das Zeitalter der Aufklärung qualifizierte die biblischen Weihnachtserzählungen als Mythen.

Das Bürgertum des 18. und 19. Jahrhunderts bewahrte Weihnachten trotz Entkirchlichung als Familien- und Geschenkfest. Weihnachtsbäume wurden zum protestantischen Erkennungsmerkmal, die Krippen zum katholischen. Auch die Politik vereinnahmte das Fest: Im deutsch-französischen Krieg 1870/71 verteidigten deutsche Soldaten die "deutsche Weihnacht". Die Nationalsozialisten versuchten, den christlichen Symbolen germanische Ursprünge anzudichten.

Religiöse Traditionen hoch im Kurs

Heute verteidigen katholische Verbände den heiligen Nikolaus gegen eine aus den USA herübergeschwappte Figur: gegen Santa Claus als "Heiligen des Kommerzes". Auch in einer säkularen Gesellschaft haben religiöse Traditionen wie Adventskranz, Weihnachtsbaum und das Weihnachtsoratorium große Popularität behalten. Weihnachtliche Traditionen und Rituale suggerierten Normalität und Beständigkeit, sagte die Psychologin Meike Watzlawik am Mittwoch im ZDF. Geschenke zeigten Nähe und gegenseitige Wertschätzung.

Göttert betont: Weihnachten hat weltweite Ausstrahlung - weit über das Christentum hinaus. Doch der Erfolg ist teuer erkauft. "Ausgerechnet die Säkularisierung, die Befreiung von den theologischen Konstrukten, hat es erst richtig groß gemacht."


Quelle:
KNA
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