Österreichs Kirche begrüßt Ethikunterricht

"Keine Konkurrenz"

In Österreich wird nun zumindest in den Oberstufen Ethikunterricht für Schüler eingeführt, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen. Zustimmung kommt unter anderem von der katholischen Kirche.

Erhobene Hände im Unterricht / © LStockStudio (shutterstock)
Erhobene Hände im Unterricht / © LStockStudio ( shutterstock )

Nun ist der Weg frei in Österreich zur Einführung des Ethikunterrichts ab dem nächsten Schuljahr: Anfang Dezember hat der Bundesrat einem entsprechenden Gesetz zugestimmt, nachdem es zuvor bereits im Nationalrat mit den Stimmen von ÖVP, Grünen und FPÖ angenommen worden.

Das neue Gesetz sieht vor, dass Schüler ab der 9. Jahrgangsstufe, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, ab Schulbeginn 2021 einen Ethikunterricht im Ausmaß von zwei Wochenstunden besuchen. Davon betroffen sind somit alle, die sich vom Religionsunterricht abmelden oder wegen Konfessionslosigkeit nicht besuchen. Das neue Unterrichtsfach wird in den Oberstufen von Allgemeinbildenden Höheren Schulen und Berufsbildenden Mittleren und Höheren Schulen nach und nach eingeführt.

Zusammenarbeit von Staat, Kirchen und Religionsgesellschaften

"Was sich seit vielen Jahren in Schulversuchen bewährt hat, wird im nächsten Jahr zum fixen Bestandteil in der Oberstufe und ermöglicht damit, dass die Befassung mit ethischen Grundfragen zum selbstverständlichen Bildungskanon junger Menschen gehört", freut sich Schulbischof Wilhelm Krautwaschl im Gespräch mit der österreichischen Agentur Kathpress.

Es zeichne Österreich aus, dass sich auf dem Weg zur Einführung des Ethikunterrichts die Zusammenarbeit zwischen Staat, Kirchen und Religionsgesellschaften erneut sehr bewährt habe. "Auch das Miteinander der Kirchen und Religionen ist dadurch gewachsen", so der Grazer Bischof. Ausdrücklich hält Krautwaschl fest: "Der katholische Religionsunterricht sieht im Ethikunterricht, wie er jetzt beschlossen wurde, keine Konkurrenz, sondern eine notwendige Ergänzung für jene, die den Religionsunterricht nicht besuchen."

Und noch etwas betont der Schulbischof: Die katholische Kirche werde die neue Situation zum Anlass nehmen, die ethischen Themen in den Lehrplänen für den katholischen Religionsunterricht noch klarer herauszuarbeiten. "Ethik ist immer schon ein wichtiger Teil unseres Religionsunterrichts", dieser gehe aber darüber hinaus, "weil er jungen Menschen umfassend christliche Sinnstiftung für ein gelingendes Leben bietet", betont Krautwaschl.

Ethikunterricht nach langjährigen Schulversuchen

Der österreichische Bildungsminister Heinz Faßmann zeigte sich im Bundesrat erfreut, dass es nunmehr gelinge, den langjährigen Schulversuch mit Ethikunterricht in den Regelunterricht zu überführen. Das stelle eine gut investierte Maßnahme etwa im Sinne der Freiheitswerte dar. Zudem strebe er ein Verflechtungsmodell beziehungsweise einen etwaigen gemeinsamen Unterricht in zentralen Bereichen von Religion und Ethik an. Als nächste Schritte kann sich Faßmann auch die Ausweitung des Ethikunterrichts etwa auf die Sekundarstufe 1 und die Primärstufe vorstellen.

Das nun beschlossene Ethikunterricht-Konzept sei vom "einmütigen Willen" geprägt gewesen, "das Beste für die Schülerinnen und Schüler zu erreichen und einen breiten gesellschaftlichen Konsens zu erzielen", erklärt die Wiener Schulamtsleiterin Andrea Pinz. Das neue Modell sei auch demokratiepolitisch stimmig, weil damit "verschiedene Bezugspunkte und Traditionen säkularer und religiöser Natur in der ethischen Diskursfindung zugelassen" würden. Auch ein rein staatlich organisierter Ethikunterricht sei der Gefahr ausgesetzt, ideologisch instrumentalisiert zu werden, wies die Expertin hin. "Ist daher nicht gerade die zugelassene Vielfalt der ethisch bildenden, werterziehenden Angebote in der Schule das Bild, das einem demokratischen Staat am ehesten entspricht?"

Neue Situation auch für den Religionsunterricht als Alternative

Die Einführung des Ethikunterrichts für alle Schüler, die keinen Religionsunterricht besuchen, "bringt auch für den Religionsunterricht eine grundlegend neue Situation", erklärte Pinz. Nicht mehr die Freistunde sei die Alternative, sondern ein Unterrichtsgegenstand, mit dem man sich in Anspruch und pädagogischer Qualität auf Augenhöhe trifft. Dies sei ein Anstoß für Verantwortliche für den Religionsunterricht, "sein Profil noch einmal präziser zu schärfen und seinen Bildungsauftrag zu legitimieren".

Konsens sei, dass Jugendliche in beiden Fächern zu fundierten ethischen Entscheidungen befähigt werden sollen und ihnen Orientierung für ein gelingendes Leben und zum Mitgestalten der Gesellschaft gegeben wird, so Pinz weiter. Während der Religionsunterricht seine Wurzeln transparent benennt, müsse freilich klar sein, dass auch Ethikunterricht nie wertfrei angelegt sein kann.

Die Lehrpläne des inhaltlich von den christlichen Kirchen verantworteten Religionsunterrichts haben laut der Schulamtsleiterin einen hohen Anteil an ethischen Themenstellungen und decken sich über weite Strecken mit jenen für den Ethikunterricht: Es geht um soziales Zusammenleben, Friede, Gerechtigkeit, Schöpfungsverantwortung, Menschenrechte u.a. Der Religionsunterricht ermögliche aber auch "reflektierte, vernunftgeleitete Auseinandersetzung mit den eigenen religiösen Wurzeln" und mit Religion im Allgemeinen. Das trägt nach der Überzeugung von Pinz gerade in der gegenwärtigen Situation bei, fundamentalistischen Tendenzen entgegenzuwirken und den interreligiösen Dialog zu fördern.


Quelle:
KNA
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