Schwarzer baptistischer Pastor Warnock kandidiert für US-Senat

Finanzinvestorin gegen Theologen

Am 5. Januar wird in Georgia entschieden, wer den US-Bundesstaat im Senat repräsentieren darf. Im Wahlkampf zwischen dem Demokraten Rafael Warnock und der Republikanerin Kelly Loeffler geht es auch um religiöse Fragen, Patriotismus und Kapitalismus.

Autor/in:
Konrad Ege
Die Katholiken stehen im Fokus des US-Wahlkampfs / © igorstevanovic (shutterstock)
Die Katholiken stehen im Fokus des US-Wahlkampfs / © igorstevanovic ( shutterstock )

In den USA sind die Wahlen noch nicht vorbei. Am 5. Januar entscheidet das elf Millionen Einwohner zählende Georgia, wer den Bundesstaat im Senat repräsentieren darf. Der Ausgang der Nachwahl bestimmt die Mehrheit im Senat, von der abhängt, wie viel der neue Präsident Joe Biden politisch durchsetzen kann.

Es geht auch um Theologie. Einer der beiden demokratischen Kandidaten ist Rafael Warnock (51), seit 2005 Pastor der Ebenezer Baptistenkirche in Atlanta. Mehr Prestige gibt es kaum in afro-amerikanischen Kirchen. Dort stand in den 1960er Jahren der Bürgerrechtler Martin Luther King auf der Kanzel.

Glaubensfragen in Wahlkampf präsent

Im Wahlkampf zwischen Warnock und der Republikanerin Kelly Loeffler nehmen Glaubensfragen viel Raum ein. Die frühere Finanzinvestorin ist wohl das reichste Mitglied des Senats und eine supertreue Gefolgsfrau von Donald Trump. Warnock sei der "radikalste liberale Kandidat" in den ganzen USA, behauptet Loeffler.

Seit Jahren predigt Warnock über soziale Gerechtigkeit, setzt sich aktiv ein für Krankenversicherung und Klimaschutz. Auf der Suche nach radikalen Aussagen von Warnock stöbert Loeffler durch alte Predigten, sowie durch Schriften des 2018 verstorbenen Theologen James Cone. Dieser gilt als Vater der schwarzen Befreiungstheologie. Warnock betrachtet ihn als "intellektuellen Mentor".

Kritik von Seiten der Republikaner

Cone habe 1980 geschrieben, dass sich die schwarzen Kirchen gegen den Kapitalismus stellen müssten, prangerte Loeffler an. Laut Warnock habe "marxistische Kritik" der Kirche etwas zu sagen. Besonders scharf attackiert haben Republikaner eine angeblich unpatriotische Predigt Warnocks von 2011.

Als Christ könne man nicht zwei Herren dienen, sagte Warnock, "niemand kann Gott dienen und dem Militär, niemand kann Gott dienen und dem Geld". Seine Gemeindemitglieder, auch Veteranen der US-Armee, hätten "kein Problem" damit gehabt, die Botschaft zu verstehen, erwiderte Warnock auf Kritik.

Auswirkungen der Wahl auf Präsidentschaft Joe Bidens

Präsident Donald Trump und Ex-Präsident Barack Obama haben sich in den Wahlkampf eingeschaltet. Der sozialdemokratische Senator Bernie Sanders unterstützt Warnock. Ex-Präsident Jimmy Carter erklärte laut der Zeitung "Atlanta Journal-Constitution", Warnock sei "die Stimme, die Menschen in Georgia brauchen".

Gewinnen Warnock und sein demokratischer Mitanwärter Jon Ossoff, der gegen den Republikaner David Perdue antritt, stellen die Demokraten 50 und die Republikaner ebenfalls 50 der Senatoren. Bei einem Patt entscheidet die Vizepräsidentin: Ab Januar ist das die Demokratin Kamala Harris. Verliert Warnock oder verliert Ossoff, behalten die Republikaner die Mehrheit im Senat, und Präsident Joe Biden hätte damit beträchtliche Probleme beim Durchsetzen seiner Vorhaben.

Reelle Chancen auf Wahlsieg

Nach Ansicht von Predigerkollegen steht Rafael Warnock in der "prophetischen Tradition" der afro-amerikanischen Kirche. In seinem Buch "The Divided Mind of the Black Church" (Der gespaltene Geist der schwarzen Kirche) befasste sich Warnock mit der Komplexität des schwarzen Christentums in Amerika. Es sei geprägt von der "weißen evangelikalen Betonung der persönlichen Errettung" und strebe zugleich nach der Befreiung Unterdrückter.

Dass jemand wie Rafael Warnock offenbar reelle Chancen auf einen Wahlsieg hat, illustriert die politischen Veränderungen in dem Bundesstaat im Süden der USA. Bis vor kurzem galt Georgia als sicheres republikanisches Pflaster. Seit 1992 hat dort kein demokratischer Kandidat gewonnen. Der 3. November schockierte: Donald Trump unterlag bei der Präsidentenwahl ganz knapp gegen Biden.

Aufgewachsen in einfachen Verhältnissen

Den letzten schwarzen Baptistenpastor im US-Senat gab es mit Hiram Revels vor mehr als 150 Jahren (1870-71) unmittelbar nach dem Bürgerkrieg. Der Senat ist ohnehin ein überwiegend weißer Club. Gegenwärtig sind 3 der 100 Senatoren schwarz.

Warnock wuchs als eines von zwölf Kindern in einfachen Verhältnissen auf. Er studierte am afro-amerikanischen Morehouse College in Atlanta und machte seinen Doktor in Philosophie. In den 90er Jahren war Warnock einer der Pastoren in der Abyssinian Baptistenkirche in New York. Nach einer Pastorenstelle in Baltimore in Maryland wurde Warnock an die Ebenezer Kirche berufen. Die Senatskandidatur ist der erste parteipolitische Anlauf des afro-amerikanischen Geistlichen.


Quelle:
epd