DOMRADIO.DE: Sicherheitskräfte, die mit Schlagstöcken und Tränengas auf Migranten losgehen: Das sind Bilder, die uns von der Grenze zwischen Honduras und Guatemala erreichen. Die Rechte der Menschen, die ihre Heimat Honduras Richtung Norden verlassen wollen, werden hier mit Füßen getreten. Warum fliehen überhaupt so viele Menschen aus Honduras?
Inés Kissenbauer (Mittelamerika-Referentin bei Adveniat): Aus Honduras fliehen schon seit vielen Jahren sehr viele Menschen. Die Situation hat sich jetzt akzentuiert. Einmal durch die Corona-Pandemie im letzten Jahr, die größtenteils zu einem wirtschaftlichen Zusammenbruch geführt hat, aber eben auch durch die zwei Hurrikans, die im November letzten Jahres Honduras sehr stark getroffen haben. Man sagt, dass von den 9,6 Millionen Menschen über vier Millionen Menschen direkt von den Auswirkungen betroffen sind.
DOMRADIO.DE: Wie haben Sie von Adveniat versucht, in Honduras zu helfen?
Kissenbauer: Wir haben ein Nothilfe-Programm aufgestellt und unterstützen hauptsächlich Honduras bei Nothilfe und bei Projekten zum Wiederaufbau, vor allem in der Atlantik Region, die so stark betroffen ist. Die Armut, der Verlust von Anbaufläche, die Ernten, die in Gefahr sind, aber auch die generelle Armut und Arbeitslosigkeit zwingen die Menschen sozusagen, das Land auf der Suche nach Lebensperspektiven zu verlassen.
DOMRADIO.DE: Dann stranden viele von ihnen erst einmal an der Grenze zu Guatemala und da wartet schon das nächste Martyrium. Wie sieht die Situation dort aus?
Kissenbauer: Viele Menschen haben es geschafft, sogar nach Guatemala zu kommen und sind dann auf einer Bundesstraße abgefangen worden. Die Bilder wurden im Fernsehen gezeigt. Es wird versucht, sie daran zu hindern, ihre Reise fortzusetzen. Es sind schon über Tausend zurückgeführt worden. Die Migrationsbehörden in Guatemala drängen die Menschen zu einer Rückkehr, da die Reise auch nach Mexiko aussichtslos ist. Auch dort haben sich die Grenzposten schon in Stellung gebracht.
DOMRADIO.DE: Die meisten Menschen wollen natürlich in die USA, wollen sich dort ein neues Leben aufbauen und Arbeit finden. Dazu müssen sie aber dann erst komplett durch Mexiko durch. Wie wahrscheinlich ist es, dass sie da überhaupt durchkommen können?
Kissenbauer: Es ist immer erstaunlich, viele schaffen es irgendwie doch, an ihr Ziel zu kommen. Wobei das natürlich in den letzten Jahren sehr viel schwieriger geworden ist. Die regulären Grenzen werden natürlich inzwischen so stark gesichert, dass viele Menschen nicht weiterkommen. Es bilden sich dann Flüchtlingscamps an der guatemaltekischen Grenze nach Mexiko. Im Moment befinden sich Tausende von Flüchtlingen an der Grenze von Mexiko und den USA und müssen dort in Flüchtlingscamps unter unwürdigen Bedingungen leben.
DOMRADIO.DE: Wir haben erlebt, dass Donald Trump zum Beispiel an den Außengrenzen Tausende Migrantenkinder von ihren Eltern getrennt hat. Am Mittwoch wird der neue US-Präsident vereidigt. Hoffen Sie da auf bessere Bedingungen für lateinamerikanische Migranten?
Kissenbauer: Ich denke, dass dies ein Magnet ist, der Migration wieder ankurbelt. Die Menschen hoffen, dass sich durch die Politik Bidens die Migrationspolitik der USA ändert und verbessert. Es gibt auch Signale in dieser Hinsicht, wobei Biden gesagt hat, dass die Grenzen im Moment noch geschlossen sind und sich die Menschen nicht auf den Weg machen sollen. Aber man hat vielleicht schon erste Anzeichen heraushören können.
Das Interview führte Hilde Regeniter.