Wie Corona unsere Arbeit verändert

"Jetzt sind andere Qualitäten gefordert"

Die Corona-Pandemie hat das Arbeitsleben gründlich verändert. Wie genau das aussieht, ist individuell sehr unterschiedlich. Welche Herausforderungen und Chancen sich für den Arbeitsalltag ergeben, erläutert die Psychologin Petra Jagow.

Gestresste Mutter im Homeoffice / © FamVeld (shutterstock)
Gestresste Mutter im Homeoffice / © FamVeld ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Die Pandemie hat dem Homeoffice einen veritablen Schub versetzt. Fangen wir mal mit den Vorteilen der Arbeit von zu Hause an. Was sind die?

Petra Jagow (Psychologin und Coach): Ich habe in dieser Zeit mit vielen Leuten gesprochen. Alle Befragten nennen ein Stichwort: Entschleunigung. Also man schätzt das sehr, dass man nicht mehr pendeln muss. Man ist mehr in Ruhe zu Hause, kann etwas entspannter die Arbeit angehen und viele empfinden das auch als selbstbestimmter. Das ist ein großer Vorzug. Auch die Präsenz zu Hause bei Partnerinnen, Partnern, Kindern und so weiter wird von vielen sehr geschätzt. Man kann mal zwischendurch was regeln.

Dann kommt aber der Kipppunkt für die Frauen, die noch Homeschooling machen. Da ist es dann nicht mehr ganz so entspannt. Das sind die, die selbst im Homeoffice Stress haben.

DOMRADIO.DE: Natürlich fehlt auch der direkte Kontakt zu den Kollegen. Den können ja auch Zoom-Konferenzen nur ziemlich begrenzt ersetzen, oder?

Jagow: Das ist auf jeden Fall so. Plötzlich ist die Arbeit nur noch Arbeit und dann merkt man mal, wie viel da leichter geht, wenn man mal so schnelle Absprachen treffen kann. "Kannst du mal eben...?" oder "Hast du mal eben...?" – all das fällt flach.

Dass Zweite, was flach fällt, was auch ein wesentlicher Teil ist, ist der Buschfunk. Ich erfahre auch nichts mehr. Ich sitze quasi ganz am Ende und soll da tapfer arbeiten. Viele haben das mit dem Wort Stubenarrest beschrieben – also man kommt nicht mal raus. Das ist schon auch ein eigener Stress, weil das darüber hinaus dazu führt, dass man abends schwer die Arbeit zuklappen kann, weil man denkt: Ich bin ja da, ich könnte ja noch mal gucken.

DOMRADIO.DE: Die Möglichkeit der Heimarbeit gibt es ja nie für alle. Droht da nicht auch so eine Art Homeoffice-Neid?

Jagow: Es ist nicht in erster Linie Neid. Wenn man genauer hinguckt, dann ist es so: Die Menschen, die einen Beruf haben, der im engen Kontakt mit anderen Menschen steht, ob das jetzt im Pflegebereich ist oder in persönlichen Dienstleistungen oder auch im Kundenkontakt im Handel, die haben sich diesen Beruf ja ausgesucht, weil sie das mögen. Was sie jetzt aber feststellen, ist, dass sie ganz klar ein höheres Infektionsrisiko dadurch haben, dass sie zu dem Job hin müssen und wieder zurück.

Also die sind viel mehr Gefahren ausgesetzt und das ist eher das Problem. Es ist nicht der Neid auf das Homeoffice an sich, denn ich habe auch mit Personen gesprochen, die zum Beispiel im Handel arbeiten. Die sagen: Ja, wir haben es jetzt auch in der Arbeit etwas entspannter. Wir haben Click-und-Collect und wir stehen zur Verfügung für Serviceleistungen, haben aber weniger Zeit geöffnet – und die Arbeit an sich gefällt uns ja nach wie vor. Es ist eher eine Frage der Fairness und der Rahmenbedingungen.

DOMRADIO.DE: Wenn wir all diese Dinge jetzt im Hinterkopf haben, welche Konsequenzen sollten Arbeitgeber denn aus diesen Erfahrungen während der Krise ziehen? Auch was die Zukunft des Homeoffice angeht?

Jagow: Die erste wichtige Erkenntnis ist, gerade in Deutschland waren wir ja sehr hinterher mit dem Homeoffice. Es wird auch im Homeoffice gearbeitet. Das wurde vorher gerne mal bezweifelt. Das bedeutet, da wird auch was bleiben. Sei es, dass die Regierung es fördert.

Aber viele Mitarbeiter möchten es auch. Und zwar in einer flexiblen Lösung, die Sinn macht. Vielleicht zwei Tage vor Ort und dann drei Tage im Homeoffice. Dafür braucht man flexible Raumkonzepte. Es sind insgesamt kleinere Teams, die dann zusammen an Dingen arbeiten. Und daraus ergibt sich auch weniger Hierarchie. Dieses klassische Führen war: "Ich bin da, und weil ich da bin, arbeiten alle anderen auch brav und tapfer, die ich hier sehen kann." Das ist vorbei.

Das heißt, man muss für gute Ausstattung sorgen. Man muss eine optimale Anbindung schaffen und man muss auch ein bisschen zusammen Ergebnisse und Erfolge feiern. Und es ist total richtig zu sagen: Besser ein Meeting mehr als zu wenig, um das Soziale auch aufzufangen. Gerade da kann man sehen, dass plötzlich Qualitäten in den Vordergrund rücken, die bisher immer so als weiblicher Führungsstil nicht unbedingt nur positiv benannt wurden.

Es geht nämlich weniger um Status und Prestige. Und dass ich der Chef bin, heißt noch lange nicht, dass ich gute Führungskraft bin. Jetzt sind andere Qualitäten gefordert. Alle mitnehmen, sehr flexibel sein, einfach mal was ausprobieren.

Das Interview führte Hilde Regeniter.


Quelle:
DR