Theologin sieht großen Konsens zu Suizidbeihilfe bei Protestanten

Nicht zum Tabuthema machen

In der Debatte um Suizidbeihilfe in kirchlichen Einrichtungen sieht die Theologin Isolde Karle einen großen Konsens in der evangelischen Kirche. Klar sei, dass Christen nicht wertneutral in Gespräche mit Suizidwilligen gingen.

Tabletten in der Hand / © Rawpixel.com (shutterstock)

Das sagte die Professorin für Praktische Theologie an der Uni Bochum am Dienstag im Deutschlandfunk. Es gehe zuallererst darum, diesen Menschen Perspektiven für ein Weiterleben zu zeigen und ihnen Solidarität zu bekunden. Trotzdem stelle sich auch in evangelischen Einrichtungen die konkrete Frage, wie man mit Menschen umgehe, die am Sterbewunsch festhielten. Für sie sei klar, dass man ihnen dann nicht einfach die Tür weise, sondern ihnen auch weiterhin beistehe.

Karle hatte sich zusammen mit Diakonie-Präsident Ulrich Lilie und anderen evangelischen Theologen Mitte Januar in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" dafür ausgesprochen, kirchliche Einrichtungen sollten sich dem Suizidbegehren Betroffener nicht verweigern.

Dem widersprachen sogleich der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, der frühere Ratsvorsitzende Wolfgang Huber sowie der frühere Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Peter Dabrock. Sie mahnten, dass der Suizid nicht eine Normalform des Sterbens werden dürfe.

Kein Tabuthema

Karle betonte dagegen, der Wunsch nach Selbsttötungen dürfe nicht tabuisiert werden. Gerade dadurch, dass er ausgesprochen werden könne, böten sich viele Unterstützungsmöglichkeiten, so dass Sterbewillige ihren Wunsch bis zum Schluss revidieren könnten.

Zugleich hätten aber auch die Kirchen nicht das Recht, das Selbstbestimmungsrecht Betroffener einzuschränken.

Die Theologin verwies auf den Umgang der evangelischen Kirchen in der Schweiz mit Suizidwilligen. Sie hätten ihre "bedingungslose Solidarität" mit Sterbewilligen bekundet. Für sie gehe das zu weit; sie würde lieber von "kritischer Solidarität" sprechen. Karle sprach sich zugleich dafür aus, den Umgang mit Suizidwilligen in die Ausbildung von Theologen zu integrieren. Sie begegneten immer wieder Menschen mit Sterbewünschen, beispielsweise in der Telefonseelsorge.


Quelle:
KNA
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