Wie der Heilige Valentin zum Heiler der Epileptiker wurde

Sankt "Fall-net-hin"

Der katholische Heiligenhimmel ist gut bestückt. Für jedes Anliegen gibt es einen Zuständigen, an den man sich wenden kann. Doch wie kommt ein Patron zu seinem Amt? Manchmal wird der Name zum Programm.

Autor/in:
Christoph Renzikowski
Heiliger Valentin (KNA)
Heiliger Valentin / ( KNA )

Sankt Valentin gilt gemeinhin als Fürsprecher der Liebenden. Seit dem Mittelalter wird er aber auch als Schutzpatron gegen Epilepsie verehrt. Die "Fallsucht" hieß einst sogar "Valentinsplage". Seine Zuständigkeit verdankt der heilige Mann allerdings nicht irgendwelchen spektakulären Heilungswundern, sondern einzig seinem Namen.

Valentin ist lateinisch und heißt der "Starke, Gesunde". Das allein böte Anlass genug für Wortspiele. In seinem Fall klingt der Name allerdings im Bairischen auch noch fast so wie "Fall net hin" - und das genügte der Volksfrömmigkeit.

Valentinstag geht auf Valentin von Terni zurück

Valentine gibt es mehr als 30 Stück in diversen Heiligenregistern. Ob sich hinter ihnen auch historische Personen verbergen, ist meist unklar. Auf einen Valentin von Terni, der im dritten Jahrhundert als Märtyrer in Rom gestorben sein soll, geht jedenfalls der heutige Valentinstag zurück, der am 14. Februar begangen wird.

Gerhard Kluger, leitender Arzt an einer Fachklinik für pädiatrische Neurologie und Epileptologie im oberbayerischen Vogtareuth, war jahrelang in seiner Freizeit als Valentinsforscher unterwegs und hat dabei erstaunliche Entdeckungen gemacht. Er untersuchte mehr als 300 Abbildungen des Heiligen aus ganz Europa, vom Deckenfresko bis zur Altarfigur.

Epilepsie und böse Geister

Seit dem 15. Jahrhundert sind dem Heiligen in mehr als der Hälfte der untersuchten Fälle Personen unterschiedlichen Alters beigesellt, die offenbar an einer Anfallskrankheit leiden. Mal liegt Valentin regungslos ein Knabe zu Füßen. Oder es sitzt da eine Frau mit einem Kind auf dem Schoß, die Arme weit über den Kopf gestreckt, während ihm kleine Dämonen entweichen. Darüber Valentin in der Pose des wirkmächtigen Exorzisten.

Epilepsie wurde in grauer Vorzeit mit bösen Geistern in Verbindung gebracht - oder auch mit ihrem Gegenteil. So sprachen die alten Ägypter ehrfürchtig von der "Heiligen Erkrankung". Unheimlich erschienen die wie aus dem Nichts kommenden Attacken allemal.

Ursachen der Krankheit bis heute nicht vollständig geklärt

Als Gegenmittel diente die Pflanze Beifuß, auch Valentinskraut genannt. Stoffmützen mit dem Abbild Sankt Valentins, die "Fraisenhäubchen", sollten Säuglinge vor fiebrigen Krämpfen schützen. "Fraisen" ist der im Alpenraum gebräuchliche Begriff für epileptische Anfälle. Wer einen solchen erleidet, ist "in d' Froas g'falln".

Restlos geklärt sind die Ursachen der Krankheit bis heute nicht. Erbfaktoren können eine Rolle spielen, Erreger wie Herpesviren und andere äußere Einwirkungen: Schlafmangel, Drogen oder flackernde Lichtreize, wie sie in der Disco oder bei Computerspielen auftreten.

Was tun bei einem Anfall?

Bis zu ein Prozent der Bevölkerung sind Epileptiker, etwa zehnmal so viele Menschen erleben mindestens einmal in ihrem Leben einen solchen Anfall. Bei der Ersten Hilfe gelten vier Regeln: Ruhe bewahren, den Betroffenen nicht festhalten und ihm vor allem keine Gegenstände in den Mund schieben, die Umgebung absichern, damit es keine weiteren Verletzungen gibt. Meist hört der Anfall schnell von selbst wieder auf. Erst nach fünf Minuten sollte unbedingt der Notarzt verständigt werden.

Epilepsie lässt sich heute sehr gut behandeln. Mehr als 20 Wirkstoffe sind zugelassen. Sie mindern Schwere und Häufigkeit der Anfälle, im Idealfall verhindern sie sie ganz. Ist der Heilige als Fürsprecher daher heute überflüssig? Kluger verneint: "Auch in der modernen Medizin ist wissenschaftlich belegt, dass Glaube für das Gesundsein wichtig ist."

Der Valentinskreis

Mit elf anderen Kinder- und Jugendärzten aus ganz Deutschland hat er vor 21 Jahren einen "Valentinskreis" gegründet. Die Runde trifft sich jedes Jahr für einige Tage zum Erfahrungsaustausch rund um das Thema Epilepsie.

Die von ihm aufgestöberten historischen Darstellungen begeistern den Mediziner vor allem wegen der Details: "Auf einigen Valentinsbildern kann man fast wie von einer Fotografie ablesen, aus welcher Hirnhälfte der Anfall gekommen ist." Und das Jahrhunderte, bevor das Krankheitsbild wissenschaftlich beschrieben wurde.


Quelle:
KNA