Fastenzeit trotz monatelangen Verzichts?

Frei machen für Neues

Die Fastenzeit scheint in Zeiten von Corona fast überflüssig zu sein, da Verzicht bereits seit fast einem Jahr auf der Tagesordnung steht. Familien- und Eheberaterin Heidi Ruster sieht dennoch Möglichkeiten, die Fastenzeit aktiv zu gestalten.

Fastenessen / © Guillaume Poli (KNA)
Fastenessen / © Guillaume Poli ( KNA )

DOMRADIO.DE: Können Sie die Menschen verstehen, die keine Lust haben, in diesem Jahr auf noch etwas zu verzichten?

Heidi Ruster (Kath. Beratungsstelle für Ehe-, Familien- und Lebensfragen, Bonn): Und ob. Das kann ich sehr gut. Auf Freude zu verzichten, das machen wir schon die ganze Zeit. Wer Fastenzeit als eine dunkle Zeit im Büßerhemd mit Asche auf dem Haub betrachtet, dem muss ich sagen, dass er genug gebüßt hat.

Wir haben wirklich so viel Freude an dem schönen Wetter. Wir merken, wie begierig wir nach Freude sind, nach etwas, was dazukommt und nicht was weniger wird.

DOMRADIO.DE: Warum kann es auch jetzt gut und sinnvoll sein, die Fastenzeit zumindest bewusst oder anders zu gestalten als ganz normale Tage und Wochen, wie wir sie hinter uns haben?

Ruster: Das gibt nochmal die Möglichkeit, die Fastenzeit anders in den Blick zu nehmen, auf ihren ursprünglichen Sinn hin freizumachen. Fasten heißt sich frei machen, bewusst, persönlich, freiwillig, von ganz ungesunden, unguten, vielleicht sogar zerstörerischen Gewohnheiten. Und zwar mit dem Ziel, mit der Ausrichtung auf das neue Leben, auf das Licht von Ostern.

Das ist einfach eine Vorbereitungszeit für ein ganz großes neues Ding, was da auf uns zukommt, was wir ganz bewusst in den Blick nehmen. Religiöse Menschen würden sagen: freimachen für diesen Gott des Lebens.

DOMRADIO.DE: Tatsächlich gibt es auch Studien, die belegen, dass in der Corona-Zeit mehr gegessen und mehr Alkohol getrunken wurde. Passt da nicht vielleicht doch das Übliche, dass man auf Alkohol und auf Fleisch verzichtet?

Ruster: Doch, klar. Das sind genau diese Strukturen, diese Abhängigkeiten, die schlechten Gewohnheiten mit den schlechten Konsequenzen, die ich eben schon benannt habe, Verzicht auf ein Übermaß. Das ist ein gutes Zeichen, auch für sich selbst etwas Gutes zu tun, auf die Umwelt zu achten, natürlich im Sinne von frei werden.

DOMRADIO.DE: Welche Fastenideen haben Sie noch für uns? Was könnte man sich vornehmen jetzt für die Zeit bis Ostern?

Ruster: Da habe ich auch eine gute Idee. Wenn wir mal aufhören, Fasten als grausamen Verzicht und freudloses Dasein zu sehen, dann sage ich natürlich als Eheberaterin: Das ist eine Chance, sieben Wochen die Partnerschaft wieder neu in den Blick zu nehmen.

Wir haben eine wunderbare Aktion laufen: www.7wochen-neue-sicht.de. Das ist dazu da, nochmal die eigene Partnerschaft zu wertschätzen und sie ganz anders in den Blick zu nehmen. Da kriegt man jede Woche kostenfrei einen Impuls auf Handy, E-Mail oder auch postalisch, was diese Partnerschaft miteinander machen kann.

Also meinetwegen Gesprächsimpulse oder aber schöne Aussichten, genussvolle Momente, einfach Ideen, die da angereichert werden. Das finde ich eine ganz wunderbare Idee. Das machen wir jetzt schon das dritte Jahr und das kommt sehr gut an, weil die Fastenzeit einfach nochmal ganz bewusst eine Zeit für etwas Lebendiges, etwas Schönes ist, einfach eine andere Gelegenheit, eine neue Chance.

DOMRADIO.DE: Haben Sie auch eine Idee, was Familien zusammen tun könnten in der Fastenzeit, auf dem Weg auf Ostern zu?

Ruster: Diese Zeit-Geschenke, die wir uns ja jetzt coronabedingt machen mussten, die sind ein bisschen nach hinten rübergerutscht. Beim ersten Lockdown hatte ich ja eine gute Rückmeldung, was Spiele angeht. Also an einem rhythmisierten Tag zuhause mit Homeschooling und Homeoffice einen bewussten Akzent setzen.

Ein Beispiel: Um 17 Uhr lassen wir mal alles stehen und liegen und machen ein Gesellschaftsspiel. Oder wir machen gemeinschaftliche Osterbriefe für unsere Lieben, die wir jetzt alle nicht sehen können. Wir machen miteinander auch lebendige Beziehungsgestaltung. Was können wir dann noch machen? Oder wir überlegen, welche Rezepte wir machen.

Also auch wirklich Zugewandtheit mitkriegen. Wo drückt der Schuh? Wo geht allmählich die Einsamkeit so weit, dass andere wieder krank werden? Was können wir tun, um das Leben lebendiger zu machen?

DOMRADIO.DE: Singles haben es da besonders schwer. Haben Sie für die eine Idee, wie sie sich die Fastenzeit auch schön machen können?

Ruster: Auf jeden Fall durch Gestaltung der Balkone, die Natur, die einem ja jetzt durch den Frühling so entgegenkommt, einfach auch mit nach Hause zu nehmen. Wer keinen Balkon hat, möge bitte einen neuen Anstrich mal angehen und davon viele Fotos machen, den lieben Freunden schicken, aber auch bitte nicht vergessen, was auch alles noch geht, zum Beispiel sich zum Spazierengehen draußen verabreden.

Das ist ganz wichtig: Bewegung und ein Miteinander, ein Mitschwingen und auch noch Resonanz spüren. Das muss auch ein Single hinkriegen. Dann muss er sich halt hinsetzen und da mehr Orga und Planung darauf verlegen. Denn die Freunde, die es vor der Corona-Zeit gegeben hat, die gibt es immer noch, auch wenn sie alle ein bisschen undercover sind. Jetzt im Frühling müssen sie raus aus ihren Löchern.

DOMRADIO.DE: Fasten Sie in diesem Jahr?

Ruster: Ja klar, aber auch nicht im Sinne von etwas aufgeben, sondern ich habe mir vorgenommen, ganz viel Zuversicht zu verbreiten, ganz bewusst mein Lächeln zu verschenken, jeden Tag. Und ich möchte - das ist jetzt mein persönliches Anliegen - jeden Abend einschlafen und will vorher wenigstens einen Grund gefunden haben Danke zu sagen, was schön war an diesem Tag. Das kann man übrigens auch gemeinschaftlich machen.

Das habe ich mir so vorgenommen, damit ich aufhöre mit diesem ewigen Nörgeln und Schimpfen und was alles ganz schwierig ist in dieser Gesamtlage. Und ich möchte auf diese Weise auch am Ostermorgen wach werden und irgendwie Erlösung spüren und möchte ordentlich Ostern feiern können. Das wünsche ich mir sehr.

Das Interview führte Dagmar Peters.


Heidi Ruster / © Anja Sabel / Kirchenbote Osnabrück
Heidi Ruster / © Anja Sabel / Kirchenbote Osnabrück
Quelle:
DR
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