Der nordrhein-westfälische Landtag hat ein Gesetz beschlossen, das Richtern, Staatsanwälten sowie anderen Justizbeschäftigten religiöse und "weltanschauliche konnotierte Kleidung" verbietet. Betroffen sind auch ehrenamtliche Schöffen. Dem Entwurf der Landesregierung stimmten am Mittwochabend die Regierungsfraktionen von CDU und FDP zu. Auch die AfD votierte dafür, während sich die SPD enthielt und die Grünen dagegen stimmten.
Absolute Neutralität
Das Gesetz zielt darauf ab, die Unabhängigkeit, Unparteilichkeit, Unvoreingenommenheit und Neutralität der Justiz zu sichern. Bislang gebe es keine gesetzlichen Regelungen zu religiös und weltanschaulich neutraler Kleidung, heißt es in dem Text. Richterinnen oder Staatsanwältinnen muslimischen Glaubens dürften im Gerichtssaal dann zum Beispiel kein Kopftuch tragen, auch ehrenamtlich tätige Schöffinnen oder Justizbeschäftigte müssten sich an diese Regelung halten.
Besondere Bedeutung im Justizvollzug
In einer zunehmend pluralistischen Gesellschaft müsse auf die Neutralität der Justiz geachtet werden, sagte Justizminister Peter Biesenbach (CDU). Justizangehörige des Landes NRW dürften durch ihr Erscheinungsbild nicht den "geringsten Anschein von Voreingenommenheit" erwecken. Es gehe darum, auf die "Wahrung der Neutralität der dritten Staatsgewalt" zu achten, erklärte der NRW-Justizminister im Landtag. Selbst "der geringste Anschein von Voreingenommenheit" im Gerichtssaal oder anderen Einrichtungen der Justiz müsse vermieden werden. Dies gelte nicht nur für die Bediensteten im Gericht, sondern auch für den Justizvollzug. Denn dort erzeuge eine fehlende Neutralität emotionalere Reaktionen als im Gerichtssaal.
Die SPD-Fraktion unterstützte das grundsätzliche Anliegen. Doch dazu hätte es nicht eines eigenen Gesetzes bedurft, sagte Rechtsexpertin Sonja Bongers. Eine Verankerung im bestehenden Justizgesetz hätte genügt.
"Äußerst fragwürdig"
Der Grünen-Abgeordnete Stefan Engstfeld kritisierte, das Gesetz schieße "eindeutig über sein Ziel hinaus". Auch für die Grünen stehe das Neutralitätsgebot außer Frage. Das Gesetz differenziere aber zu wenig nach den Berufsgruppen, beurteile Menschen nach ihrer "Optik" und grenze bestimmte Bevölkerungsgruppen aus, zum Beispiel Kopftuch tragende Muslima. Damit sei das Gesetz verfassungsrechtlich "äußerst fragwürdig".
Berufsverbot für Muslimas und Juden?
Es bedeute praktisch ein Berufsverbot für muslimische Frauen mit Kopftuch oder jüdische Männer mit Kippa im Bereich der Justiz. Das Verbot weltanschaulicher und religiöser Kleidung sei zu pauschal formuliert. So müssten ehrenamtliche Richter, die die Vielfalt der Bevölkerung repräsentierten, von dem Verbot ausgenommen werden.
Dem widersprach Biesenbach. Er verwies auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom Februar vergangenen Jahres, wonach das Kopftuchverbot für Rechtsreferendarinnen mit dem Grundgesetz übereinstimmt.