"Ich bin sehr tief mit meiner katholischen Kindheit verwurzelt", sagte einst der wichtigste Lyriker polnischer Sprache, Adam Zagajewski. Die Kirche habe vor dem Kommunismus in Polen nicht kapituliert: "Damals war die katholische Kirche viel ehrlicher und viel älter, viel schöner. Man fühlte sich in der Kirche gut und behütet". Zagajewski schloss sich schon früh dem polnischen Widerstand gegen das kommunistische Regime an. Die polnische Amtskirche heute sieht Zagajewski kritischer.
Ihm schien es, als habe die Kirche die großen Systemänderungen ganz unvorbereitet getroffen. Viele Priester in Polen seien heute sehr arrogant und sehr nationalistisch: "Die verstehen die Probleme der Menschen nicht mehr", sagte Adam Zagajewski im DOMRADIO.DE-Interview. Der Lyriker sah sich selbst "auf der Grenze der Kirche". Er fühlte sich eher den katholischen Mystikern verbunden, "die immer ein Problem mit der Amtskirche hatten, weil die Kirche ein wenig neidisch und skeptisch den Mystikern gegenüber war." Die Poesie und die Gedichte standen für Zagajewski in der Tradition der Gebete, mit denen alle Dichtung angefangen habe. Obwohl ein Dichter nun, weiß Gott, kein Priester sei, denn für einen Dichter bleibe die Suche offen, eine Suche, "wo man sich sogar davor fürchtet, etwas zu finden".
Weltbekannter Lyriker
Bekannt wurde unter anderem sein Gedicht "Versuch's, die verstümmelte Welt zu besingen", welches die Zeitschrift "The New Yorker" nach den Terroranschlägen in den USA vom 11. September 2001 abdruckte. Sein Tod sei ein "großer Verlust für die polnische Literatur", schrieb Polens Präsident Andrzej Duda bei Twitter.
Der Lyriker wurde 1945 im heute ukrainischen Lemberg geboren. Nach einem Studium der Psychologie und Philosophie schloss er sich der Dichterformation "Nowa fala" (Neue Welle) an, die mit althergebrachten Konventionen brechen wollte. 1975 unterzeichnete er den regimekritischen "Brief der 59", der sich gegen geplante Verfassungsänderungen richtete. 1982 emigrierte Zagajewski in den Westen und ließ sich in Paris nieder. Seit 2002 lebte er wieder in Polen.
Zagajewski erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Heinrich-Mann-Preis, den Eichendorff-Literaturpreis und den Orden "Pour le mérite" für Wissenschaften und Künste. Der Lyriker, der zeitweise als Anwärter auf den Literaturnobelpreis gehandelt wurde, war seit 2015 Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. In deutscher Übersetzung sind unter anderem die Gedichtbände "Asymmetrie" und "Unsichtbare Hand" sowie mehrere Essay-Sammlungen erschienen.
2012 hat Adam Zagajewski im DOMRADIO.DE-Interview über sein Leben, Polen, Kirche und Literatur gesprochen.