Keine Aussöhnung für Hans Küng mit der Kirche

Verpasste Rehabilitation?

Hans Küng ist tot. Der Gründer der Stiftung Weltethos starb am 6. April im Alter von 93 Jahren in Tübingen. Der Tod des Schweizer Theologen löste international großes Medienecho aus. Eine offizielle Rehabilitation blieb ihm verwehrt.

Autor/in:
Michael Jacquemain
Trauer um Hans Küng / © Harald Oppitz (KNA)
Trauer um Hans Küng / © Harald Oppitz ( KNA )

Auch nach mehr als 40 Jahren können Wunden wieder aufbrechen: Als "schlicht unwahr" bezeichnete der Generalsekretär der Stiftung Weltethos, Stephan Schlensog, eine Äußerung des früheren Kurienkardinals Walter Kasper zu der Frage, ob der am 6. April verstorbene Theologe Hans Küng mit der Kirche ausgesöhnt gewesen sei.

Brief an Papst Franziskus

Kurz vor Weihnachten 2020 habe Küng einen Brief an Papst Franziskus geschrieben und sich traurig darüber gezeigt, dass die Kirche nicht die Größe habe, ihn zu rehabilitieren. Zugleich habe Küng Franziskus für die Korrespondenz und persönliche Zeichen der Wertschätzung gedankt. "Das Thema hat ihn bis zum Schluss beschäftigt", sagte Schlensog der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Küngs Brief sei unbeantwortet geblieben.

Ähnlich äußerte sich die Tübinger Dogmatikerin Johanna Rahner. Auch sie beklagte die ausgebliebene Rehabilitierung. Der Entzug der Lehrerlaubnis 1979 und die nicht erfolgte Rücknahme sei ein großer Fehler, erklärte die Chefin des Katholisch-Theologischen Fakultätentags (KThF) im Kölner domradio.de. Küng habe "bis zu seinem Tode daran gelitten", dass er nie rehabilitiert wurde.

Grundsätzlich sieht Rahner, die das von Küng gegründete Institut für Ökumenische und Interreligiöse Forschung der Universität leitet, auch positive Aspekte an der "Affäre Küng", die bis heute zu Vorteilen für Theologen führe; zwar seien die Strukturen ähnlich, "aber die Atmosphäre hat sich verändert". Unterschiedliche Meinungen würden heute diskutiert und nicht mundtot gemacht.

Einen anderen Eindruck hatte Kasper zunächst in einem Beitrag für die halbamtliche Vatikanzeitung "Osservatore Romano" und einem Interview mit "Corriere della Sera" hinterlassen: Im Sommer 2020 hatte Kasper nach eigenen Worten Franziskus telefonisch informiert, dass Küng dem Lebensende nahe sei und in Frieden mit der Kirche sterben wolle.

Eine Art Versöhnung

Daraufhin habe Franziskus ihm Grüße und Segenswünsche "in christlicher Gemeinschaft" aufgetragen. "Es war, als fühlte sich Küng in Frieden mit der Kirche und mit Franziskus, eine Art Versöhnung", so der Kardinal. Theologische Differenzen seien geblieben; "auf pastoraler und menschlicher Ebene war es aber eine Aussöhnung", sagte Kasper. Schlensog dazu kurz und knapp: "Aussöhnung klingt anders."

Kasper reagierte und erklärte, er habe gewusst, dass "Worte und Zeichen" wie der päpstliche Segensgruß für Küng in der allerletzten Phase des Lebens wichtig seien. "Dass Küng mehr erwartet hat, war mir bekannt", erklärte Kasper. Eine "juristische und amtliche Rehabilitierung" sei indes unrealistisch gewesen. Kasper ging es demnach um die seelsorgliche Seite, nicht um die lehramtliche.

Blick auf den Fall Cardenal

Das Verhalten Roms im Umgang mit Gemaßregelten wirkt indes in der Summe erratisch: 2019 beispielsweise hob Franziskus sämtliche Sanktionen gegen den deutlich härter bestraften nicaraguanischen Befreiungstheologen Ernesto Cardenal auf - obwohl der Priesterdichter mehrfach öffentlich erklärt hatte, dass er darauf überhaupt keinen Wert lege.

Im Unterschied zu Küng war Cardenal die Ausübung des Priesteramtes untersagt worden, weil er wie zwei andere Priester ein Ministeramt in der Revolutionsregierung seines Heimatlandes übernommen hatte. Im Fall Cardenal überbrachte Nuntius Stanislaw Sommertag die Information der Rücknahme der Bestrafung ins Krankenhaus und feierte dann mit Cardenal dessen erste Messe nach 35 Jahren.

In der Summe war das nationale und internationale Medienecho auf Küngs Tod gewaltig - und ging über Partei- und Religionsgrenzen hinweg. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier würdigte Küng als "bleibendes Vorbild eines Gelehrten, eines brillanten Denkers mit scharfem Verstand, der gleichzeitig wacher politischer Beobachter und engagierter Mitbürger war".

Unablässig und standhaft "für alles Gute einzutreten, das in unserer Möglichkeit liegt", sei seine Botschaft gewesen, so Steinmeier im Schreiben an Küngs Schwester Rita Frei-Küng. Diese Botschaft "sei uns allen Beispiel, Auftrag und Inspiration. Wir werden Hans Küng niemals vergessen und ihm ein ehrendes Andenken bewahren." Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) nannte Küng einen wichtigen und wegbereitenden Lehrer in Fragen des Glaubens, des ethischen Handelns und der Deutung des Weltgeschehens. Und weiter wörtlich: "Sein Wirken wird fehlen."


Quelle:
KNA
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