So war die Oscar-Nacht 2021

Ein Hauch von Glanz trotz Corona

Die Oscar-Nacht 2021 war eine Veranstaltung wie keine zuvor und schaffte es, dem angeschlagenen Nimbus der Filmpreise neuen Glanz zu verleihen. Mit optimistischer Grundstimmung, intensiver Atmosphäre und würdigen Gewinnern.

Autor/in:
Marius Nobach
93. Oscar-Verleihung / © Chris Pizzello (dpa)
93. Oscar-Verleihung / © Chris Pizzello ( dpa )

Der Letzte trägt immer ein gewisses Risiko. Die Erwartungen an eine herausragende Vorstellung zum Abschluss sind enorm und haben der Oscar-Verleihung in den letzten Jahren eher geschadet: Nach der erschöpfenden US-"Awards Season" mit zahllosen kleineren und größeren Filmpreis-Vergaben ab November konnten sich die "Academy Awards" zuletzt oft nicht des Eindrucks erwehren, dass zum Zeitpunkt ihrer Gala die Luft in der Filmbranche bereits ziemlich raus war.

Was der Höhepunkt sein sollte, schien mitunter eher ein Nachklapp zu sein, dessen äußeres Brimborium sich in manchem nicht mehr erschloss, zumal die Oscars in der Mehrheit Filme auszeichneten, die bereits zuvor reichlich bedacht worden waren. Ihre Besonderheiten wie die viel zu selten gelobte Bereitschaft, auch den Kurzfilm nach wie vor mit gleich drei Auszeichnungen zu ehren, gerieten dabei leicht aus dem Blickfeld, während unerwartete Entscheidungen auch Spuren einer Krise enthüllten.

Verschiebung auf Ende April war ein Risiko

So wenig anfechtbar die Auszeichnung für "Parasite" als bester Film 2020 (neben drei weiteren Preisen) von cineastischer Warte aus auch war, verriet sie auch eine Entfremdung der Juroren vom aktuellen US-Filmangebot, das 2019 aus ihrer Sicht kein Werk hervorgebracht hatte, das es mit der südkoreanischen Satire aufnehmen konnte.

Und dann kam auch noch Corona. Lange sah es so aus, als läge eine nur halbwegs "normale" Ausgabe der Oscar-Verleihung jenseits des Möglichen. Die Entscheidung, die Gala auf Ende April zu verschieben, spielte auf Zeit und ging das Risiko ein, mit einer entweder glanzlosen Online-Veranstaltung oder einer nur behelfsmäßigen Film-Auswahl dem Ruf weiter zu schaden.

Doch in diesem Fall erwies sich die lange Vorlaufzeit als Segen: Nicht allein, dass die Organisatoren unter Federführung von Regisseur Steven Soderbergh von den Kämpfen und Problemen anderer Preisverleihungen lernen konnten, auch die Entwicklung der Corona-Lage in den USA gab pünktlich zur Gala erstmals wieder Anlass zu Optimismus.

Angesichts sinkender Fallzahlen und der rasanten Impfkampagne konnte man so planen, dass es - bei allen notwendigen Vorsichtsmaßnahmen - nicht auf eine Covid19-Veranstaltung hinauslief. Masken rückten einmal weitgehend in den Hintergrund und alle Geehrten präsentierten sich gesichtsunverhüllt, dafür aber mit offensichtlicher Lust, sich wieder einmal in größerer Gesellschaft zu befinden und sprechen zu können.

Viele Dankesreden fielen daher deutlich länger aus, was den Eindruck verstärkte, wie sehr die Anwesenden diese lange vermisste Gelegenheit genießen konnten. Und der Wille, die gute Stimmung möglichst weit zu streuen, fand sich auch in der Preisverteilung wieder, die es verstand, fast allen Favoriten unter den Nominierten mindestens einen Oscar zuzuerkennen.

Unter den acht Werken, die um den Hauptpreis "Bester Film" konkurrierten, ging allein "The Trial of the Chicago 7" ganz leer aus, während das Einwandererdrama "Minari" (Nebendarstellerin) und der satirische Rachethriller "Promising Young Woman" (Originaldrehbuch) jeweils einen Preis erhielten.

Je zwei Oscars gingen an den Black-Panthers-Film "Judas and the Black Messiah" (Nebendarsteller, Originalsong), die Theateradaptionen "The Father" (Hauptdarsteller, adaptiertes Drehbuch) und "Ma Rainey"s Black Bottom" (Kostüme, Make-Up & Hairstyling), das Taubheitsdrama "Sound of Metal" (Schnitt, Ton) und den Animationsfilm "Soul" (Animation, Musik).

Innerhalb der üblichen Danksagungen an Filmteams, Familie und Mentoren blieb auch Raum, um an die teilweise starken politischen Botschaften der ausgezeichneten Werke zu erinnern. Mit dem Kurzfilm "Two Distant Strangers" wurde etwa die Erzählung über einen schwarzen Amerikaner ausgezeichnet, der sich in einer Zeitschleife befindet und jeden Tag aufs Neue von einem weißen Polizisten getötet wird. Die Regisseure Travon Free und Martin Desmond Roe erwähnten auf der Bühne, dass in den USA im Durchschnitt jeden Tag drei Menschen durch Polizeikugeln zu Tode kommen.

Das gesellschaftliche Engagement eines Fonds für bedürftige Filmschaffende und des unter anderem in der Hilfe für Obdachlose umtriebigen Regisseurs und Schauspielers Tyler Perry wurde nicht nur mit dem humanitären Ehrenpreis geehrt, es brachte auch die jeweiligen zusätzlichen Anstrengungen der Preisträger in der Corona-Pandemie auf den Punkt. Der als Künstler durch die (gelinde gesagt) schwankende Qualität seiner Arbeiten durchaus umstrittene Perry konnte zudem mit der wohl besten Rede des Abends, in der er jegliche Form des Hasses verdammte, weitere Sympathiepunkte sammeln.

"Nomadland" bester Film

Der aufmunternde und versöhnende Tonfall nicht nur nach der globalen Corona-Heimsuchung, sondern auch nach dem Ende von vier Jahren aufgerissener gesellschaftlicher Gräben durch Donald Trump, fand schließlich den logischen Gewinner in "Nomadland". Die Auszeichnung "bester Film" für Chloe Zhaos sanftes Road Movie über entwurzelte ältere Menschen in den modernen USA war nach dem Preisregen seit dem "Goldenen Löwen" in Venedig im September zwar keine Überraschung, brachte aber die Stimmung des Abends treffend auf den Punkt.

Die Neugier, das stille Staunen, die Sehnsucht nach Zusammensein, der Wert kleiner menschlicher Gesten, all die universalen Themen, die Zhao wunderbar intensiv in ihrem Film vereint, strahlten letztlich auch auf die Oscars 2021 ab - nicht zuletzt beim begrüßenswerten "Bonus", dass zum zweiten Mal in der Oscar-Geschichte eine Frau den Regie-Preis gewann und erstmals eine asiatisch-stämmige Regisseurin.

Nach der Dreifachauszeichnung für Regie, Film und beste Hauptdarstellerin übernahm es genau diese - Frances McDormand - den nahe liegenden Wunsch für die Zukunft zu formulieren: "Schaut jeden Film, der heute Abend hier präsentiert wurde, auf einer so groß wie möglichen Leinwand!" Eine nach monatelangen Kinoschließungen fremd gewordene Vorstellung, die nach der Oscar-Gala 2021 aber zumindest wieder als Normalität denkbar erscheint. Nicht zuletzt darin liegt der Verdienst einer in Anbetracht der Umstände beachtlich reibungslos und originell umgesetzten "Sonderveranstaltung".


Chloe Zhao, Regisseurin, mit dem Oscar für den besten Film für "Nomadland" / © Chris Pizzello (dpa)
Chloe Zhao, Regisseurin, mit dem Oscar für den besten Film für "Nomadland" / © Chris Pizzello ( dpa )
Quelle:
KNA