DOMRADIO.DE: Monsignore Pane, das "Redemptoris Mater" ist eines von weltweit 125 Priesterseminaren des Neokatechumenalen Weges und wurde vor gut 20 Jahren von Kardinal Meisner in Bonn-Endenich gegründet. Ehemals Benediktinerinnenkloster, liegt es idyllisch auf dem Berg mitten im Grünen. Unabhängig von seiner traumhaften Lage – was ist das Besondere an dieser Ausbildungsstätte für den Priesternachwuchs, und was unterscheidet es von herkömmlichen Priesterseminaren?
Msgr. Salvador Pane (Regens des Erzbischöflichen Missionarischen Priesterseminars Redemptoris Mater Köln): Hier kommen junge Männer aus vielen Ländern und unterschiedlichen Nationalitäten zusammen. Das bedeutet zunächst einmal eine weltkirchliche Dimension. Dann bringen alle durch ihre Zugehörigkeit zur Gemeinschaft des Neokatechumenalen Weges eine geistliche Prägung mit. Sie studieren ganz normal Philosophie und Theologie, wie es für jeden Kandidaten des Erzbistums üblich ist. Ein Schwerpunkt des Hauses ist aber die explizit missionarische Dimension der Seminare Redemptoris Mater, die sich durch entsprechende Ausbildungskomponenten realisiert. Denn mithilfe ihrer Missionspraktika weltweit, für die die Seminaristen während ihres Studiums oder danach manchmal monatelang unterwegs sind, schauen sie zudem über den eigenen Tellerrand hinaus und bringen pastorale Erfahrungen aus ganz anderen Teilen der Welt mit. Das hilft, theoretisches Wissen mit Erkenntnissen aus der Praxis zu verbinden.
In dieser Zeit gewinnen die Seminaristen wertvolle Erfahrungen über die gelebte Vielfalt der katholischen Kirche und die unterschiedlichen Lebensbedingungen, Denkweisen und Bedürfnisse der Menschen. Trotzdem erfahren sie, dass der katholische Glaube in Mexiko, Polen oder Südafrika immer derselbe ist. Das hautnahe Miterleben dieser Vielfalt und der Interkulturalität des einen Glaubens ist bereichernd. Denn unsere Studenten treten auf diese Weise mit der Welt in einen Dialog. Letztlich geht es um einen Reifungsprozess, bei dem sie sich mit ihrer Berufung in einem anderen gesellschaftlichen Kontext – oft nicht in einer "heilen Welt", sondern mit durchaus erdenden Realitäten – auseinandersetzen und darauf eine persönliche Antwort in großer Freiheit geben. In der Summe ist das in einer postchristlichen Gesellschaft, wenn ich das einmal so sagen darf, nicht selbstverständlich.
DOMRADIO.DE: Apropos Erdung – das heißt, die Seminaristen leben hier nicht, üblichen Klischees und Vorurteilen zum Trotz, in einer Art Elfenbeinturm?
Pane: Ganz im Gegenteil. Sie lernen, mit dem Menschlichen in der Welt umzugehen. Dabei helfen – als Ergänzung – auch die sozialpraktischen Einsätze in den Gemeinden oder in der Kategorialseelsorge, beispielsweise in einem Hospiz oder in der Obdachlosenseelsorge. Darin unterscheiden wir uns übrigens auch nicht vom Kölner Priesterseminar. Alle Seminaristen – egal an welchem Ort – durchlaufen die gleiche Ausbildung. Das Priestertum ist eine lebendige Erfahrung. Der Einblick in prekäre Lebensumstände gehört mit dazu und hilft, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Dabei ist der Auftrag eines zukünftigen Priesters primär, den Menschen von Christus als der Offenbarung Gottes zu erzählen. So gesehen setzen wir auch um, was in unserem Namen steht: Denn jede Aktion der Kirche, die zum Ziel hat, Menschen mit Christus bekannt zu machen, ist eine missionarische Aktion. Jesus sagt: Geht hinaus in alle Welt und verkündet das Evangelium! Das ist unser Auftrag und Selbstverständnis.
Die Rahmenordnung für die Priesterausbildung von 2003 sieht ausdrücklich vor, dass die christliche Formung angehender Priester – menschlich, geistlich, intellektuell und pastoral – in der Gemeinschaft stattfindet, damit sie dabei immer wieder in einen Spiegel schauen und sich selbst hinterfragen. Unsere Aufgabe ist es dann – übrigens in guter Zusammenarbeit mit dem Bonner Collegium Albertinum und dem Priesterseminar Köln – zu überlegen, wie wir die jungen Menschen am besten auf ihre zukünftige Aufgabe vorbereiten, den Menschen die Botschaft von Jesus Christus zu verkündigen. Dafür soll jeder bei uns den für sich passenden Weg finden, wozu wir einen weiten Raum schaffen. Den Kandidaten nach dem Vorbild Jesu Christi als Lehrer, Priester und Hirten zu formen ist Ziel der gesamten Ausbildung. Deshalb wird er schrittweise in die Verkündung des Wortes Gottes, die Feier der Liturgie und den Dienst am Nächsten eingeführt.
DOMRADIO.DE: Was gehört in Zeiten, in denen angesichts der Missbrauchsaufarbeitung in der katholischen Kirche auch immer wieder die Priesterausbildung auf dem Prüfstand steht, zur priesterlichen Identität und was muss bei der Ausbildung schwerpunktmäßig behandelt werden?
Pane: Eine lebendige Christusbegegnung ist entscheidend – und das Bewusstsein: Ich bin in seine Nachfolge berufen. Uns werden diese jungen Menschen anvertraut. Die Zeit im Seminar bietet dann die Möglichkeit, diese Berufung in vielen Gesprächen zu erforschen, zu reflektieren und daraufhin die Eignung zum priesterlichen Dienst zu prüfen. Denn es ist die Kirche, die die Echtheit dieser Berufung, aber auch die Eignung des Kandidaten – angesichts der Aufgaben, die auf einen Priester warten – feststellen muss. Dabei begleiten wir jeden Kandidaten mit großem Respekt, Vertrauen und Achtsamkeit – das ist der Grundstein der Ausbildung – damit er bestmöglich in die Lebensform des Priesters mit allen ihren Herausforderungen hineinwachsen kann. Hierzu gehört vor allem seine Bereitschaft, mit Hilfe der Ausbilder im Seminar, der Professoren an der Hochschule und den Mitstudenten menschlich zu reifen, geistlich zu leben, theologisch zu arbeiten und sich so für den pastoralen Dienst ausbilden zu lassen. Außerdem muss er Gott und den Menschen in Demut und Gehorsam dienen wollen. Und er sollte dies im Einklang mit der katholischen Kirche tun, denn ein Priester ist immer auch ein "vir ecclesiasticus" – jemand, der die Glaubensgemeinschaft, die er repräsentiert und der er in bestimmten Zusammenhängen vorsteht, liebt.
Wir versuchen, in unserem Haus in einer Atmosphäre der Offenheit und Ausgeglichenheit zu leben. Jeder soll immer wieder seine eigene Antwort auf den Ruf Gottes vertiefen können, bis es dann zur offiziellen Aufnahme unter die Weihekandidaten, der "Admissio ad ordines", kommt. Eine physische und psychische Gesundheit ist dabei Voraussetzung. Außerdem wird darauf geschaut, ob ein angehender Seelsorger mit der gesamten Kirche – geeint im Papst und im Bischof – verbunden leben will und dass er eine Liebe und Solidarität zu den Armen, Benachteiligten und Zurückgesetzten hat. Es geht um die Befähigung zu leiten, zu heiligen, das heißt, die Liturgie zu feiern, und zu verkündigen. Bei dieser Trias geben wir als Ausbilder die nötige Hilfestellung. In seinen priesterlichen Vollzügen repräsentiert ein Priester Christus, das Haupt der Kirche. Er trifft eine existenzielle Entscheidung auf sein Leben hin. Das ist ein Quantensprung, der Mut und einen tiefen Glauben erfordert. Aber Priestersein ist niemals ein fertiges Konstrukt, sondern ein Weg zur Heiligkeit, wie in jeder anderen Berufung auch. Und auf diesem Weg bedarf es verlässlicher Gefährten.
DOMRADIO.DE: Gerade wird innerhalb der Bischofskonferenz angesichts der rückläufigen Zahlen angehender Priester heftig über die Konzentration der Priesterausbildung auf nur wenige Standorte diskutiert. Verfolgen Sie die Argumente für ein solches Reformkonzept oder denken Sie da manchmal: Wie gut, dass ich diese Sorgen nicht habe?
Pane: Ich weiß, dass Erzbischof Woelki die besondere Natur unseres Redemptoris Mater mit der Teilhabe an der Gemeinschaft des Neokatechumenalen Weges respektiert. Dazu gehört für Theologiestudenten auch von Anfang an der Aufenthalt im Seminar, also unter Umständen vom ersten Semester an. Als geistliche Gemeinschaft wäre es für uns ein großer Verlust, wenn wir unsere Seminaristen nicht konzentriert an einem Ort hätten; wir würden viele Begegnungsmöglichkeiten verpassen. Die regelmäßige Präsenz am Ort, das starke Bewusstsein einer Einheit, ist ein ganz wesentliches Element unserer Priesterausbildung.
Gleichzeitig pflegen wir einen engen Kontakt zur Kölner Hochschule für Katholische Theologie unter der Leitung von Professor Ohly, zur Domliturgie, an der die Seminaristen des Redemptoris Mater regelmäßig beteiligt sind, und zu den Gemeinden unseres Erzbistums, in denen sie in vorlesungsfreier Zeit frühzeitig pastorale Erfahrungen sammeln. Auf diese Weise lernen sie schrittweise ihr zukünftiges Tätigkeitsfeld kennen. Schließlich haben sie hier enge Kontakte mit ihren jeweiligen neokatechumenalen Gemeinschaften, in denen sie vielen Familienmenschen mit ihren Lebensgeschichten, Freuden und Sorgen begegnen, was einen weiteren zentralen Faktor in unserer Priesterausbildung ausmacht. Denn ein Priester lebt schließlich ohne Familie, um anderen Familien dienen zu können. Für diese Erfahrungen sind wir sehr dankbar, und von daher sind wir auch froh, dass wir hier alles an einem Ort haben und die Seminaristen keine weiten Wege zurücklegen müssen, was in anderen Diözesen dann der Fall wäre, wenn es zu einer dergleichen Neuordnung der Seminare und grundsätzlich der Priesterausbildung käme.
DOMRADIO.DE: Abgezählte Seminaristen in einem Jahrgang – manche Diözese hat ja nur einen, zwei oder maximal drei – bedeuten aber ja in der Konsequenz, dass es auch nicht zu einem wirklichen Gemeinschaftserleben kommen kann, bei dem man sich gegenseitig stützt, in seiner Entscheidung bestärkt und Halt gibt. Wie wichtig ist für einen Priester das Presbyterium?
Pane: Das ist ganz wesentlich. Eine gute Kommunität ist die Basis und eine gewisse Anzahl von Seminaristen eine Gelegenheit, die "vita communis" zu leben, die wiederum dabei hilft, zu reiferen und damit fundierteren Erkenntnisse über die eigene Persönlichkeit zu gelangen. Schließlich soll eine Entscheidung fürs Priestertum auf sicheren Füßen stehen. Im Zusammenleben wird man mit Ecken und Kanten eines Gegenübers konfrontiert. Dabei lernt man Respekt, Großmut, Nachsicht sowie einen angemessenen Umgang mit dem Anderssein der anderen. Das gehört zu dem von mir schon angesprochenen Reifungsprozess dazu. Auch dass die Seminaristen unterschiedlich alt sind, ist für die Gruppe eine Herausforderung. Grundsätzlich gehört zum Leben im Seminar eine gewisse Demut dazu. Dazu gehört ein Wort von Paulus: "Ertragt einander in Liebe!" Wir halten hier – wie gesagt – einander einen Spiegel vor und verstehen das als wichtiges Korrektiv. Seminarleben ist deshalb nichts Bequemes, aber positiv Herausforderndes.
DOMRADIO.DE: Am Sonntag werden aus Ihrem Seminar zwei Seminaristen im Kölner Dom zu Diakonen geweiht. In der Nachfolge Christi zu leben war vielleicht noch nie eine derart große Herausforderung wie gerade jetzt. Was geben Sie diesen beiden jungen Männern mit auf ihren Weg?
Pane: Wie Johannes der Täufer sage ich: Seht, das Lamm Gottes! Schaut auf Christus! Dazu steht im Evangelium: "Sie hörten, was er sagte, und folgten ihm nach." Und an anderer Stelle heißt es von der Gottesmutter: "Was er euch sagt, das tut!“ Damit ist eigentlich alles Wichtige auf den Punkt gebracht. Meine Aufgabe als Regens besteht darin, auf das Zentrum unseres Glaubens – auf Christus selbst – immer wieder neu hinzuweisen. Christusbezogenheit ist der Kern, das Wesentliche der Priesterausbildung. Daher gebe ich jedem angehenden Priester mit: Vertiefe Deine Beziehung mit Christus. Wenn er Dich ruft, hab keine Angst!
Das Interview führte Beatrice Tomasetti (DR)