Es geschahen Massaker und Massenvergewaltigungen, die alles in den Schatten stellten, was sich die arabisch-islamische Zentralregierung in Khartum hatte zu Schulden kommen lassen, als sie in den Jahrzehnten zuvor den Freiheitskampf im schwarzen und weitgehend christlichen Süden niederzuwerfen versuchte.
Die blutigen Konflikte zwischen verschiedenen, vorher gegen den Norden verbündeten Rebellen und Stämmen um die Vorherrschaft in dem jüngsten Staat der Welt begannen schon 2013, als sich von der bisherigen Volksbefreiungsarmee des Sudan (SPLA) und der aus ihr hervorgegangenen Einheitspartei Volksbefreiungsbewegung (SPLM) die SPLA-IO (in Opposition) abspaltete. Nachdem ihr Bürgerkrieg Tausende Tote und mehr als zwei Millionen Flüchtlinge kostete, einigten sich die Kontrahenten im August 2015. Doch ihr Friedensvertrag blieb nur Papier.
Ex-Tierschutzgebiet sollte Hauptstadt werden
Erst im September 2018 verständigten sich Präsident Salva Kiir und Oppositionsführer Riek Machar auf eine gemeinsame Regierung. Man war zunächst so optimistisch, dass in dem Abkommen sogar der Bau einer neuen Hauptstadt anstelle von Juba vorgesehen wurde, dem einstigen Anlegeplatz von Sklavenhändlern am Weißen Nil.
Auserwählt als Zentrum eines neuen Südsudan in Frieden und Wohlstand wurde ein bislang unbesiedeltes ehemaliges Tierschutzgebiet. Die Stadt, deren Baubeginn für 2022 geplant ist, soll "Ramciel" heißen, was in der Dinka-Sprache einen Ort bezeichnet, "wo sich die Nashörner treffen".
Die Entwicklung vor Ort ist aber weit hinter den großen Plänen zurückgeblieben. Schon 2018 hatte Rebellenführer Machar auf gefährliche Mängel bei der praktischen Umsetzung des Befriedungsabkommens hingewiesen: "Der Teufel liegt im Detail!"
Das zeigt beispielhaft ein neues Hotel für Entwicklungshelfer und Diplomaten nahe dem Flughafen Juba. Nach mehreren Feuerangriffen wurde es mit einer doppelten Mauer umgeben, die mit Toren aus kugelsicherem Stahl versehen wurden. Auf dem Dach können jetzt Hubschrauber landen. Und für den äußersten Notfall steht ein Bunker für die Gäste bereit.
Papst Franziskus mahnt zum Einsatz für Frieden
2019 bat Papst Franziskus den Katholiken Kiir und den Presbyterianer Machar zu sich nach Rom. Er beschwor sie eindringlich, sich für mehr Frieden in dem Krisenstaat einzusetzen.
Seitdem beruhigte sich die allgemeine Lage etwas, bis zum jüngsten Anschlag auf den designierten katholischen Bischof von Rumbek - dem einstigen Zentrum des Elfenbeinhandels - Ende April. Er belegte: Die Spaltung des Südsudan ist keineswegs überwunden - und reicht sogar bis in die Kirche hinein.
Die 1974 während der ersten Befriedung des Landes errichtete Diözese Rumbek verwaiste 2011 fast gleichzeitig mit der Unabhängigkeit: Bischof Cesare Mazzolari aus dem Orden der Comboni-Missionare (MCCJ) hatte dort die langen Jahre des Befreiungskrieges ausgehalten, sich unter Lebensgefahr für die Befreiung von Kindersoldaten eingesetzt und war sogar als Geisel zwischen die Fronten geraten. Nur eine Woche nach Inkrafttreten der ersehnten Unabhängigkeit starb er.
Attentat auf neuen Bischof von Rumbek
Danach dauerte es ein ganzes Jahrzehnt, bis ein Nachfolger bestimmt werden konnte. Zu heftig waren die Differenzen und Machtkämpfe verschiedener Stämme und "Kriegsherren", die den wichtigen Bischofssitz für einen ihrer Gefolgsleute sichern wollten.
Erst 2021 glaubte Rom mit Cristiano Carlassare (43), ebenfalls Combonianer, einen allgemein akzeptierten Kandidaten gefunden zu haben. Als bisheriger Generalvikar des nördlichen Bistums Malakal schien er über den zentral-südsudanesischen Fehden zu stehen. Am 23. Mai sollte er die Diözese Rumbek übernehmen. Doch am 26. April wurden ihm bei einem Attentat gezielt beide Beine zerschossen.
Die Attentäter wollten, dass Pater Cristiano nie mehr auf einer Kanzel oder am Altar steht. Als mutmaßliche Beteiligte an dem Anschlag wurden inzwischen auch mehrere Pfarrer des künftigen Bischofs und Mitarbeiter des Bistums festgenommen.
Als Motiv für den Anschlag wird Carlassares Nähe zum Volk der Nuer vermutet, deren Sprache er fließend beherrscht. Er sei daher in Kreisen der Dinka nicht willkommen gewesen, die die Hauptgegenpartei bei den Spannungen im Südsudan bilden.
Den Attentätern verziehen
Carlassare will sein Amt dennoch antreten, notfalls im Rollstuhl. "Ich träume von einem Südsudan ohne Konflikte und Gewalt", sagte er dem Pressedienst SIR. "Natürlich möchte ich nach Rumbek zurückkehren; mein Einsatzwille ist immer noch da."
Bis zu seiner Genesung werde es noch Wochen oder gar Monate dauern. Zwei Operationen habe er bereits hinter sich; eine Hauttransplantation stehe möglicherweise noch bevor, so der Ordensmann, der derzeit in einer Klinik in Nairobi (Kenia) behandelt wird.
Den Attentätern hat er verziehen. Mit seinem Mut und seiner Herzensgröße wird er vor Ort als würdiger Nachfolger des heiligen Daniele Comboni (1831-1881) betrachtet, der in dem als "gescheiterten Staat" eingestuften Südsudan für eine Absage an Gewalt und Hass steht.