Mit eindringlichen Appellen gegen Judenhass und Rufen nach konsequenter Bestrafung reagieren Politiker und Religionsvertreter auf anti-israelische Demonstrationen und Übergriffe der letzten Tage. "Nichts rechtfertigt die Bedrohung von Juden in Deutschland oder Angriffe auf Synagogen in unseren Städten", betonte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier beim Ökumenischen Kirchentag in Frankfurt.
Hetze gegen Religionen unter Strafe stellen
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) kündigte hartes Durchgreifen an. "Wer antisemitischen Hass verbreitet, wird die volle Härte des Rechtsstaates zu spüren bekommen", sagte er "Bild am Sonntag". Jüdinnen und Juden dürften in Deutschland nie wieder in Angst leben. Zugleich bot er den Polizeibehörden der Länder Unterstützung durch den Bund an.
Auch SPD-Chefin Saskia Esken will Teilnehmer an antisemitischen Demonstrationen konsequent bestrafen. Der Funke Mediengruppe sagte sie: "Wer diese hetzerischen Parolen schreit oder verbreitet, muss mit der konsequenten Verfolgung durch unseren Rechtsstaat rechnen."
Der Chef der EVP-Fraktion im EU-Parlament und stellvertretende CSU-Vorsitzende Manfred Weber will Hetze gegen alle Religionen europaweit unter Strafe stellen. Zugleich gab er Parteien wie der AfD eine Mitverantwortung für judenfeindliche Übergriffe: "Radikale wie die AfD in Deutschland oder Le Pen in Frankreich haben Grenzverschiebungen beim Antisemitismus befeuert."
Eintreten von Muslimen und Juden gegen Hass
"Die muslimischen Verbände und Imame müssen mäßigend wirken", forderte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster: "Seit Tagen verbreiten Mobs in vielen deutschen Städten blanken Judenhass. Sie skandieren übelste Parolen gegen Juden, die an die dunkelsten Zeiten deutscher Geschichte erinnern." Dagegen müsse die Polizei konsequent vorgehen. Israels Botschafter in Deutschland, Jeremy Issacharoff, forderte in der "Welt am Sonntag" ein gemeinsames Eintreten von Muslimen und Juden gegen Hass und Polarisierung.
Vertreter von Muslimen in Deutschland verurteilten die Gewalt gegen Juden. Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, sagte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung": "Wer unter dem Vorwand von Kritik an Israel Synagogen und Juden angreift, hat jedes Recht auf Solidarität verwirkt."
Der hessische Landesgeschäftsführer des deutsch-türkischen Moscheeverbandes Ditib, Onur Akdeniz, sagte der Zeitung, Muslime seien wie alle in dieser Gesellschaft "angehalten, sich von hasserfüllten Menschenansammlungen fernzuhalten".
NRW-Integrationsstaatssekretärin Serap Güler (CDU) verlangte von allen in Deutschland lebenden Muslimen, das Existenzrecht Israels als Teil der Staatsräson zu akzeptieren: "Wir müssen gegen diesen Hass, gegen diese abscheulich hässliche Fratze des Antisemitismus klare rechtsstaatliche Antworten liefern", sagte sie dem "Tagesspiegel".
Appelle der deutschen katholischen Bischöfe
Auch zahlreiche Bischöfe verurteilten die Angriffe auf Juden und jüdische Einrichtungen und riefen zu Solidarität auf. Der Berliner katholische Erzbischof Heiner Koch forderte die staatlichen Stellen auf, alles zu tun, um jüdische Menschen und Einrichtungen zu schützen. Alle Menschen müssten sich an die Seite der jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger stellen: "Wer euch angreift, greift auch uns an. Wir stehen auf gegen Antisemitismus."
"Antisemitische Übergriffe sind nicht hinzunehmen und stellen einen Angriff auf unseren Rechtsstaat dar", betonte der Würzburger Bischof Franz Jung. Der auch für die Friedensbewegung Pax Christi zuständige Mainzer Bischof Peter Kohlgraf rief alle Seiten im Nahostkonflikt auf, Gewalt und weitere Eskalation zu beenden: Antijüdische Aktionen in Deutschland seien "zutiefst verwerflich und erschreckend".
Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki mahnte alle Christen, ihren Teil zu einem friedlichen Miteinander beizutragen. Der Augsburger Bischof Bertram Meier warnte vor Geschichtsvergessenheit. Die jüngsten Angriffe auf Synagogen, aber auch "Querdenkerdemos mit Judenstern" zeigten, dass manche die schlimmen Geschehnisse der deutschen Vergangenheit offenbar gerne ausblendeten.
Von Gottfried Bohl