DOMRADIO.DE: Wie war es denn mit Papa Francesco?
Stefan von Kempis (Chefredakteur deutsche Sektion Vatican News): Also ich muss sagen, mir zittern noch ein bisschen die Beine. Denn wie immer bei so einem Papstbesuch gibt es viele aufgeregte Leute, Sicherheitpersonal mit Telefonkabel im Ohr, Gedränge in der ersten Reihe, Leute, die den Papst hierhin und dahin zerren. Das ist immer eine aufregende Sache. Die Kamera, die durch die Gegend schwenkt. Obwohl ich schon oft die verschiedensten Papstauftritte erlebt habe, war das trotzdem wieder sehr viel Aufregung und auch sehr viel Getue.
Der Moment, den wir mit dem Papst hatten war ganz nett. Der Papst ist in die Ecke gelaufen, in die er gar nicht sollte. Die Papstwege werden lange im Voraus festgelegt, wohin er darf und wohin nicht. Doch plötzlich ist der Papst um die Ecke gebogen und in Richtung unserer Redaktion gelaufen.
Da standen wir alle und wollten eigentlich nur aus der Ferne gucken, wie er ins Studio geht. Wir haben ihm die Hand gegeben und uns vorgestellt. Und er hat einen Witz erzählt von einer alten Frau, die ihm ein Kochrezept auf dem Petersplatz gegeben habe. Er hatte die ganze Zeit den Mundschutz an, sprach ein wenig leise und war ein bisschen müde. Ich hab den Witz nicht ganz verstanden, aber in dem Moment war es schön.
DOMRADIO.DE: Also er hat sich nicht an das Protokoll gehalten, das hat er ja schon öfter mal nicht gemacht. Aber was hat er denn insgesamt gesagt?
von Kempis: Insgesamt war die Botschaft ziemlich heftig. Er ging ins Studio, wurde begrüßt und war dann live auf Sendung bei Radio Vatikan im italienischen Programm. In der Sendung hat er sich an Radio Vatikan und Osservatore Romano gerichtet und gefragt: "Wie viele hören euch? Wen erreicht ihr? Stellt ihr euch die Frage, für wen ihr das Ganze macht?"
Das war schon eine ziemlich klare Botschaft: Richtet euch nicht nur hübsch euer Büro ein, sondern guckt auch, dass ihr die Leute, für die ihr arbeitet, auch wirklich erreicht. Der Papst hat dem Haus deutlich gesagt: Ihr arbeitet nicht für euch selbst. Deshalb gab es auch ein paar betretene Gesichter. Denn das ist natürlich kein Geheimnis, dass der Osservatore Romano, der sich im selben Gebäude wie Radio Vatikan befindet, keine Millionenauflage hat und dass Radio Vatikan nur, wenn man wirklich sämtliche Hörer in aller Welt und auch noch in jedem letzten Winkel der Welt zusammenrechnet, auf Millionen Hörer kommt.
Wir sind eher ein Nischenprogramm, das natürlich den Papst auch viel kostet. Da müssen wir uns auch an die eigene Nase fassen, wozu uns der Papst hier eingeladen hat: Guckt, dass ihr auch an die Leute herankommt und nicht Programm für euch selber macht.
DOMRADIO.DE: Er hat aber auch vor einem übertriebenen Funktionalismus gewarnt, der die Kreativität einschränke.
von Kempis: Ich hoffe, dass sich das unsere Vorgesetzten hier im Palazzo auch ein bisschen hinter die Ohren schreiben, dass man nicht alles vorher schon wissen kann, vorher für alles um Erlaubnis bittet, sondern dass man auch mal was riskiert. Ob man eine Nachricht raushaut, die noch nicht durch 100 Filter gegangen ist, einfach weil man weiß, das interessiert jetzt die Leute und damit tue ich ihnen einen Dienst.
Nicht nur so hoch wichtige Vatikan-Kommunikationsdarsteller spielen, sondern wirklich im Dienst der Leute stehen. Das war dem Papst ein Anliegen. Er hat auch gesagt: "Geht nicht ins Möbelhaus und lasst euch euren Berufsweg einrichten, sondern geht hinaus zu den Leuten. Denkt daran, für wen ihr arbeitet." Das fand ich sehr gut.
DOMRADIO.DE: Nicht immer ganz oben um Erlaubnis bitten müssen und einfach mal machen. Solche Worte müssen dich als Chefredakteur doch freuen?
von Kempis: Das freut mich, gleichzeitig weiß ich, dass wir auch in vielen Fällen mittlerweile vorher um Erlaubnis bitten sollten. Ich habe zum Beispiel Fotos, die ich vom Papst im Flur gemacht habe, einfach auf Facebook gepostet. Hinterher habe ich gehört, dass es eine Anweisung gab, nichts vom Besuch zu posten, weil das ein Privatbesuch war.
Da wundere ich mich dann schon, wenn ich nicht einmal ein Foto machen und das posten darf. Wir sind doch Kommunikatoren. Das ist doch die Kreativität und Spontaneität, die sich der Papst wünscht. Leider war der Besuch hier im Palazzo so Schritt für Schritt festgelegt, dass für spontanes Agieren kaum Platz war. Dieser Moment hat ihm wohl gutgetan, als er mal auf den Flur um die Ecke gehen konnte und wir da standen, mal durchatmen, Witz erzählen und mal andere Gesichter sehen.
DOMRADIO.DE: Anlass war der 90. Geburtstag von Radio Vatikan. Osservatore Romano ist ja schon 160 Jahre dabei. Ihr hattet bei Radio Vatikan nicht immer gute und einfache Zeiten. Du bist schon seit 1989 dabei. Wie siehst du die Zukunft von Radio Vatikan und Vatican News?
von Kempis: Das ist eine knifflige Frage: Ich weiß nicht, ob Radio Vatikan zu meinen Lebzeiten eingeht oder ob es noch weiter wächst. Früher war Radio Vatikan eine ziemlich kleine Klitsche mit fünf, sieben und dann zehn Sprachen. Das Programm ist in der Zeit von Johannes Paul II. unglaublich gewachsen, vor allen Dingen durch die Aufnahme von östlichen Sprachen, und es wächst noch immer.
Entweder geht diese Dynamik weiter, aber das kostet Geld. Oder der Vatikan und ein kommender Papst sagen auf einmal, dass können und wollen wir uns jetzt nicht mehr leisten. Dann ist Schicht, das muss man klar sagen. Ich finde, es steht dem Vatikan und dem Papst gut an, ein Instrument zu haben, das auf die Leute zugeht, das kommuniziert, das auch Sorgen, Anliegen der Leute von draußen aufnimmt und hier in den Vatikan zurück spielt. Aber es kann natürlich sein, dass ein Papst mal sagt: Nö, brauchen wir nicht.
Das Interview führte Martin Mölder.