Prüfer des Papstes sprechen mit Missbrauchsbetroffenen

Erste Unterredungen

Die beiden Kontrolleure des Papstes haben ihr erstes Gespräch im Erzbistum Köln mit Missbrauchsbetroffenen geführt. Dabei hörten Kardinal Anders Arborelius und Bischof Hans van den Hende zunächst ausgetretene Vertreter des Betroffenenbeirats.

Kardinal Anders Arborelius (l.) und Bischof Hans van den Hende / © Harald Oppitz (KNA)
Kardinal Anders Arborelius (l.) und Bischof Hans van den Hende / © Harald Oppitz ( KNA )

Der Stockholmer Kardinal Anders Arborelius und der Rotterdamer Bischof Hans van den Hende hätten die Betroffenen immer wieder ermutigt, sich offen zu äußern, sagte Gesprächsteilnehmer Patrick Bauer der "Augsburger Allgemeinen Zeitung" (Mittwoch). "Ich habe nicht an mich gehalten, einmal bin ich richtig wütend geworden. Ich glaube, ich habe gesagt: Es kotzt mich an!" Er habe den Visitatoren mitgeteilt, dass er sich wünsche, dass ein deutscher Bischof den Mut habe, von sich aus eigene Fehler einzugestehen.

Bauer war vergangenen November als Sprecher des Betroffenenbeirats des Erzbistums Köln zurückgetreten, ebenso der zweite Sprecher Karl Haucke. Der Entscheidung von Kardinal Rainer Maria Woelki, das erste Missbrauchsgutachten nicht zu veröffentlichen, habe das Gremium nur unter Druck zugestimmt, begründeten sie ihren Schritt. Neben den beiden traten weitere Mitglieder aus dem Beirat aus. Mittlerweile ist ein zweites Gutachten veröffentlicht, das hohen Amtsträgern des Erzbistums mindestens 75 Pflichtverletzungen im Umgang mit Missbrauchsfällen nachweist.

"Ich fühlte mich damals instrumentalisiert und benutzt", sagte Bauer der "Augsburger Allgemeinen Zeitung". An dem eineinhalbstündigen Gespräch mit den Visitatoren hätten drei weitere ehemalige Mitglieder des Beirats teilgenommen. Laut Bauer hörten Arborelius und van den Hende damit zunächst ausgetretene Vertreter des Betroffenenbeirats an.

Protokoll erstellt

Bauer forderte nach eigenen Angaben in dem Gespräch eine staatlich eingesetzte Aufarbeitungskommission ähnlich wie in den Niederlanden.

Mit Blick auf Woelki sagte er: "Er versteht nicht, worum es uns Betroffenen geht. Es geht ihm immer nur um sein Denken, um sein Empfinden und um das, wie er glaubt, wie es gut ist." Sollte der Papst keinen Änderungsbedarf feststellen, dann sei für ihn jegliche Zusammenarbeit mit dem Erzbistum als Betroffener beendet.

Laut Bauer nahm an dem Treffen auch ein Notar aus den Niederlanden teil, der wie die beiden Gesandten gut Deutsch konnte und das Gespräch protokolliert habe. Das Schriftstück würden die Betroffenen jedoch nicht erhalten. "Aber jeder von uns sagte am Ende, was ihm wichtig ist, dass es ins Protokoll kommt", so Bauer. "Ich habe sehr genau darauf geachtet, was er mitgeschrieben hat, sodass ich mir sicher sein kann, dass er protokolliert hat, was mir wichtig ist."

Ende Mai war bekannt geworden, dass Papst Franziskus zwei Gesandte für eine sogenannte Apostolische Visitation in das Erzbistum Köln schickt. Hintergrund ist die seit mehr als einem Jahr andauernde Debatte um die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen und die daraus entstandene Vertrauenskrise. Arborelius und van den Hende kamen am Montag in Köln an.

Kölner Betroffenenbeirat formuliert Erwartungen

Zuvor hatte sich an diesem Dienstag bereits Peter Bringmann-Henselder, Mitglied des Betroffenenbeirats des Erzbistums Köln, in einer Pressemitteilung zu Wort gemeldet.

Er begrüßte darin den Schritt des Vatikan, die beiden Visitatoren nach Köln zu schicken, um zu beurteilen, wie die Situation der Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs im Erzbistum Köln durch Kardinal Woelki umgesetzt wird. Dies habe der Kardinal bereits im Dezember 2020 dem Heiligen Vater von sich aus vorgeschlagen.

Die beiden Visitatoren werden sich nach Ansicht von Bringmann-Henselder einen Eindruck verschaffen, ob im Erzbistum alles rechtmäßig abgelaufen ist. Dabei werde auch der Betroffenenbeirat mit einbezogen.

Er untermauerte erneut die Erwartung, dass die sowohl an den Vatikan als auch an die Deutsche Bischofskonferenz zugesandten Forderungen des Betroffenenbeirats umgesetzt werden. Ein erster Schritt sei bereits durch die neue gesetzliche Regelung im Kirchenrecht erfolgt, denn der sexuelle Missbrauch innerhalb der katholischen Kirche wird künftig so, wie es bereits im Strafrecht verankert ist, umgesetzt.

Eine weitere Erwartung an alle Bischöfe und Kardinäle sei es, dazu zu stehen, dass sie in der Vergangenheit in erster Linie bemüht waren, die Institution katholische Kirche zu schütze, so Bringmann-Henselder weiter.

Den Betroffenen bringe es wenig, wenn Bischöfe oder Kardinäle, die Verantwortung hatten und haben, jetzt ihren Rücktritt erklären und sich somit der Verantwortung entziehen, nahm er weiter Bezug auf das jüngste Rücktrittsersuchen des Münchener Erzbischofs, Reinhard Kardinal Marx. Damit lasse man erneut die Betroffenen "im Regen" stehen.

Missbrauchs-Betroffener würdigt "aktives Zuhören" der Visitatoren

Auch der ehemalige Sprecher des Betroffenenbeirats im Erzbistum Köln, Karl Haucke, hat das Gespräch der beiden päpstlichen Gesandten mit fünf Opfern sexualisierter Gewalt gewürdigt. Kardinal Anders Arborelius aus Schweden und Bischof Hans van den Hende aus den Niederlanden hätten sich am Dienstag in Köln empathisch den Betroffenen im Gespräch zugewandt und "aktiv zugehört", sagte Haucke am Mittwoch im "Morgenecho" bei WDR 5.

Haucke war im vergangenen Herbst im Zusammenhang mit der Kontroverse über das Gutachten zum Umgang der Bistumsleitung mit Missbrauchsfällen aus dem Betroffenenbeirat des Erzbistums ausgetreten.

"Ich habe mich teilweise sogar gewundert: ich bin doch hier in Köln, und trotzdem sitzt da jemand, der mir zuhört", schilderte Haucke. In den zurückliegenden Auseinandersetzungen mit Kardinal Rainer Maria Woelki habe er hingegen erlebt, dass Woelki nicht auf Sachargumente der Betroffenen eingegangen sei, sondern vielmehr die durch ihn provozierte Enttäuschung und Verärgerung instrumentalisiert habe.

Der Kardinal habe nach außen den Eindruck erweckt, die Betroffenen seien "gefühlsduselig" und müssten nicht ernst genommen werden, kritisierte Haucke. Der Kardinal habe das in ihn gesetzte Vertrauen verspielt.

Das Gespräch mit den päpstlichen Visitatoren sei dagegen völlig anders gewesen, betonte Haucke. Neben der glaubhaften Zuwendung hätten die Visitatoren auch Wert auf eine präzise Protokollierung gelegt, vor allem von konkreten Sachschilderungen der Betroffenen.

Haucke, der berichtete, als Kind in einem Ordensinternat sexuell missbraucht worden zu sein, betonte, dass er gestärkt aus dem Gespräch mit den päpstlichen Visitatoren hervorgegangen sei, vor allem weil dies ein Signal an alle Betroffenen in allen deutschen Bistümern sei.

Die Botschaft sei, dass tatsächlich bei der katholischen Kirche eine Stelle zu finden sei, bei der man reden könne. Haucke mahnte allerdings an: "Das sollte aber nicht dazu führen, dass man meint, Kirche allein kann aufarbeiten und aufklären."


Quelle:
KNA , DR , epd
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