Es ist ja alles schon mal da gewesen. Prunk und Protz, Selbstvermarktung und ein Leben auf Pump transportierte Donald Trump aus den 80er Jahren in die Gegenwart. Für die Öffentlichkeit war der Baulöwe aus New York lange so etwas wie eine absurde, mitunter aber auch unterhaltsame Mischung aus dem fiktiven Wall-Street-Manager Gordon Gekko und den Stars, die im TV-Format "Lifestyle of the Rich and Famous" (Der Lebenstil der Reichen und Berühmten) ihren Wohlstand zelebrierten.
Zwei Impeachment-Verfahren überstanden
Ehrensache, dass Trump direkt bei der Premiere 1983 einen Auftritt hatte. Von 2004 bis 2015 erhielt er mit "The Apprentice" (Der Lehrling) seine eigene TV-Reality-Show. Dann kam der 6. Juni 2015, jener Tag, an dem der schillernde "Dealmaker" bekanntgab, bei den Präsidentschaftswahlen 2016 antreten zu wollen. Für ihn persönlich sicher eine Zäsur; tatsächlich gab es aber auch hier gewisse Kontinuitäten.
Den Slogan "Make America great again" nutzte schon Ronald Reagan, Präsident von 1981 bis 1989. Sexuelle Zügellosigkeit war bereits ein Problem von "Schürzenjäger" John F. Kennedy (1961-1963) oder Bill Clinton (1993-2001), der beinahe über eine Affäre mit der Praktikantin Monica Lewinsky gestolpert wäre. Auf schmutzige Manöver verstand sich auch Richard "Tricky Dicky" Nixon, der 1974 in der Watergate-Affäre durch seinen Rücktritt einem Amtsenthebungsverfahren zuvorkam. Neu war, dass Trump als 45. US-Präsident all diese Eigenschaften in einer Person vereinte - und gleich zwei Impeachments überstand.
Abrissbirne Trump
Der vor 75 Jahren, am 14. Juni 1946, in New York geborene Sohn eines ebenso skrupellosen wie hartherzigen Bauunternehmers mit deutschen und einer klischeehaft kniepigen Gattin mit schottischen Wurzeln zog aus, um eine Mauer gegen Migranten an der Grenze zu Mexiko zu bauen. Stattdessen riss er, einer Abrissbirne gleich, jene Fassaden ein, hinter denen sich Abgründe des westlichen Lebensstils auftaten. "Was in ihm lauert, ist offensichtlich", fasste Trump-Biograf Michael D'Antonio zusammen. "Weniger gewiss ist, was in uns selbst zu finden ist."
Unter Trump mutierte der Konservativismus zu einer leeren Hülle. Seine Partei, die Republikaner, hinterlässt er komplett entkernt. In seiner Welt und der seiner Claqueure - von Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro über Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban bis hin zum AfD-Fraktionsvorsitzenden Alexander Gauland - stehen Rechtsstaatlichkeit oder Werte wie politischer Anstand, Fairness und Wahrhaftigkeit nicht mehr allzu hoch im Kurs.
Herausforderung für die Kirchen
Die Evangelikalen, eine traditionell einflussreiche Wählergruppe mit traditionellem Familienbild, hofierten einen Präsidenten, der ganz offensichtlich das komplette Gegenteil davon verkörperte. Die katholischen US-Bischöfe diskutierten zuletzt darüber, ob der aktuelle Amtsinhaber, Katholik Joe Biden, trotz seiner liberalen Haltung zu Abtreibung die Kommunion empfangen darf. Gegenüber Bidens Vorgänger, einem "konfessionslosen Christen" und schamlosen Egoisten, verhielten sich dieselben Bischöfe bei dessen Amtsantritt deutlich zurückhaltender - wohl auch weil Trump, taktisch nicht unklug, in der Abtreibungsfrage die Position der sogenannten Lebensschützer vertrat.
Umweltschutz und Klimawandel ignorierte Trump nach Kräften. Damit half er zugleich, die Scheinheiligkeit der übrigen Industrienationen zu übertünchen, die zwar Nachhaltigkeit predigen, aber munter über ihre Verhältnisse leben. Weiterhin scheint es ein Naturrecht auf einen SUV für jedermann und billige Schnitzel zu geben. Um wissenschaftliche Ratschläge und Erkenntnisse etwa beim Kampf gegen die Corona-Pandemie machte Trump meist einen großen Bogen; seine Kernkompetenz lag im Bereich der "alternativen Fakten".
Medienmensch - im Fernsehen und in den sozialen Medien
Von diesem Sog ließen sich auch die Medien mitreißen. Begierig bauschten sie jeden noch so abwegigen Tweet von Trump zur Sensation auf - und trugen so mit dazu bei, den Unterschied zwischen Tatsachen und Meinungen in öffentlichen Debatten mehr und mehr zu verwischen.
"You are fired!" - "Sie sind gefeuert!" Manch ein Kritiker dürfte bei Trumps Abwahl 2019 an den zum Kult gewordenen Spruch aus "The Apprentice" gedacht haben. Aber Nachfolger wie Rechtsaußen-Senator Josh Hawley (41) scharren schon mit den Hufen. Und Trump selbst spricht auf seiner Homepage von einer neuen Bewegung - unter dem altbekannten Slogan "Make America great again". Es bleibt Aufgabe der Gesellschaft, jene Strukturen zu hinterfragen, die Figuren wie ihn groß gemacht haben.