DOMRADIO.DE: Normalerweise wäre zur EM große Partystimmung, auch bei Ihnen in München. In der Pandemie sieht es sicher anders aus, oder?
Rainer Maria Schießler (Münchner Stadtpfarrer): Wie sagt man so schön: Die Party findet in den Herzen statt. Ich war vor 15 Jahren freiwilliger Helfer bei der WM in München. Wir haben uns letzte Woche getroffen, die alten Recken, und haben die guten alten Zeiten wieder lebendig werden lassen. Wir haben alle festgestellt, da hat sich viel verändert. Nicht nur wegen Corona, auch im ganzen Bewusstsein, dass der Fußball unser großes Fest in unserer Gesellschaft ist.
Ich würde nicht sagen, es ist nichts, aber es ist nicht mehr - und da hat nämlich Corona wie ein Brandbeschleuniger gewirkt - so präsent in der Öffentlichkeit, wie vor 15 Jahren, das ist wahr. Das hat aber auch was Gutes, das haben wir auch festgestellt: Nachdem wir ja so kläglich das letzte Mal rausgeflogen sind gegen Südkorea - wenn wir diesmal auch nichts erreichen, wird das Gejammere nicht so groß sein.
DOMRADIO.DE: Also 2021 Stimmung mit angezogener Handbremse. Ist das denn berechtigterweise so? Ist das angemessen?
Schießler: Ich würde sagen, es ist eine innere Stimmung. 2006 haben wir es sehr nach außen getragen. Public Viewing war völlig normal, dass alle Autos mit Deutschlandfahne unterwegs waren, war völlig normal. Aber jetzt müssen wir so viele Bestimmungen beachten, dass es überhaupt möglich ist. Im Biergarten dürfen nur ein Teil der Plätze besetzt werden, da geht jetzt die große Rechnerei los. Aber die innere Leidenschaft für dieses Ereignis des Sports, die ist da ungebrochen.
DOMRADIO.DE: Also dass die EM jetzt auch überhaupt stattfindet und dass auch Quarantäne-Regeln für Berichterstatterin und Berichterstatter beispielsweise aufgehoben wurden: Für dieses Fußballfest ist das in Ordnung für Sie?
Schießler: Ja, wenn die anderen Regeln: Test, Impfungen, Nachweise und so weiter eingehalten werden. Ja, ich glaube, wir haben jetzt wirklich ein Jahr lang Zeit gehabt, seit der Absage der EM 2020, diese ganzen Sicherheitsvorkehrungen einzuarbeiten. Ich glaube, das haben wir auch sehr gewissenhaft gemacht. Ich bin mit Philipp Lahm befreundet, der da an vorderster Front ist. Da wurde kein Aspekt außer Acht gelassen. Ich glaube, das kann sich niemand leisten, weder Politik noch Sportfunktionäre noch sonst wer, dass man hier oberflächlich miteinander umgeht. Das glaube ich nicht.
Das Interview führte Tobias Fricke.