Früherer Bürgermeister Diepgen zum Papstbesuch 1996

"Der Weg durchs Brandenburger Tor war voller Symbolik"

Vor 25 Jahren erlebte Eberhard Diepgen einen Höhepunkt seiner Amtszeit als Regierender Bürgermeister von Berlin. Am 23. Juni 1996 war erstmals ein Papst in der Hauptstadt zu Gast. Der CDU-Politiker schildert seine Erinnerungen.

Autor/in:
Gregor Krumpholz
Papst Johannes Paul II. nach dem Gang durch das Brandenburger Tor (KNA)
Papst Johannes Paul II. nach dem Gang durch das Brandenburger Tor / ( KNA )

KNA: Herr Diepgen, Sie waren eng in den Besuch von Papst Johannes Paul II. vor 25 Jahren in Berlin eingebunden. Welche Bedeutung hat das Ereignis aus historischer Perspektive?

Eberhard Diepgen (CDU-Politiker und ehemaliger Bürgermeister von Berlin): Es war ein ganz besonderer Besuch. Berlin begrüßte am Brandenburger Tor den polnischen Papst, der einen wichtigen Beitrag zum demokratischen Umbruch in seinem Heimatland und den damit verbundenen Folgen in ganz Mittel- und Osteuropa geleistet hat. Sein Weg durch das wieder offene Brandenburger Tor war voller Symbolik und für Berliner auch ein Zeichen der Dankbarkeit.

KNA: Der Bundestag hatte erst fünf Jahre zuvor, am 20. Juni 1991, für den Umzug von Parlament und Regierung von Bonn nach Berlin gestimmt. Spielte das eine Rolle?

Diepgen: Berlin wollte sich auch als Zentrum des wiedervereinigten Deutschlands darstellen. Es ging in diesen Jahren ja auch immer noch um die Akzeptanz als deutsche Hauptstadt. Der Besuch von Johannes Paul II. war bedeutender als Besuche anderer Staatsoberhäupter. Er stand sogar mehr in der Öffentlichkeit als die Verleihung der Ehrenbürgerschaften an George Bush senior und Michail Gorbatschow.

Papst Johannes Paul II.

Am 16. Oktober 1978 war der Krakauer Kardinal Karol Wojtyla im Konklave zum Papst gewählt worden. Der damals 58-Jährige war der erste Nicht-Italiener auf dem Papstthron seit 1523 und wählte den Namen Johannes Paul II. Seine Inthronisation fand am 22. Oktober 1978 statt.

Papst Johannes Paul II. in Polen im Jahr 1979 / © KNA-Bild (KNA)
Papst Johannes Paul II. in Polen im Jahr 1979 / © KNA-Bild ( KNA )

KNA: Welche Eindrücke sind Ihnen von diesem Tag noch geblieben?

Diepgen: Der Besuch war sehr stark vom dichten Programm geprägt. Angesichts des Gesundheitszustandes des Papstes war das für ihn eine kaum zu verantwortende Belastung. Leider blieben bei mir auch negative Erinnerungen haften. Die linke Szene beschränkte sich in ihrem Kampf um öffentliche Aufmerksamkeit nicht auf friedliche Demonstrationen, damit musste jeder in einer Demokratie rechnen. Auch Provokationen und Störungen standen auf dem Programm, und wir mussten nach meinen Erinnerungen sogar für Mitglieder der Alternativen Liste im Abgeordnetenhaus - heute die Grünen - den Zugang zur Tribüne am Brandenburger Tor einschränken.

KNA: Beim Gang des Papstes mit Bundeskanzler Helmut Kohl durch das Brandenburger Tor und den Ansprachen kam es zu Protesten wie etwa Pfiffen. Haben Sie das als besonders störend empfunden

Diepgen: Ja, denn es gibt Gesetze der Gastfreundschaft und des guten Benehmens. Die Polizei war aber auf der Tribüne ausreichend präsent, und so konnte sie die Störer schnell in die Schranken weisen. Ich empfand es als ärgerlich, dass ich bei allen Reden meine Aufmerksamkeit immer wieder auch auf den Umgang mit den Störern richten musste.

KNA: Inwieweit konnte die Veranstaltung den Planungen entsprechend ablaufen?

Diepgen: Die Ordnungskräfte sind sehr professionell und nach den Regeln der Verhältnismäßigkeit vorgegangen. In meiner Amtszeit als Regierender musste ich leider oft mit rechtlich und politisch fragwürdigen Demonstrationen umgehen. Ein Höhepunkt war der Besuch Ronald Reagans 1987, der ja dann innerhalb kurzer Zeit in der öffentlichen Beurteilung vom reaktionären kalten Krieger zum Visionär wurde. Die Proteste gegen Johannes Paul II. empfand ich primär als Provozieren und Attackieren aus Prinzip.

KNA: Als der Bundeskanzler mit dem Papst durch das Brandenburger Tor schritten, waren Sie zumindest auf vielen Fotos nicht dabei. Warum?

Diepgen: Doch, die Bilder gibt es auch. Mehr amüsant als ärgerlich war allerdings das Bemühen des Umfeldes des Bundeskanzlers - ich betone des Umfeldes - um ein möglichst exklusives Foto von Kohl mit dem Papst beim Weg durch das Tor der Einheit. Ich habe das auf meine Art gelöst und bin beiden zur rechten Zeit entgegengegangen, habe den Papst unter dem Tor begrüßt, und die Fotografen waren zur Stelle.

KNA: Der damalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Klaus Engelhardt, hat anschließend kritisiert, dass der gemeinsame Gang von Papst und Bundeskanzler «eine zu enge und zu machtvolle Demonstration der Beziehungen zwischen Staat und katholischer Kirche» gewesen sei. Was sagen Sie - als evangelischer Christ - zu diesem Vorwurf?

Diepgen: Ich weiß nicht, ob ich ihn damals zur Kenntnis genommen habe. Sicher hätte ich ihn nicht ernst genommen und meinem Ratsvorsitzenden mehr Selbstbewusstsein empfohlen. Jeder Anstoß zu einer Auseinandersetzung mit Religionen erscheint mir im atheistisch dominierten Berlin außerdem im Interesse beider christlichen Kirchen zu liegen. Der Weg durch das Brandenburger Tor gehörte nach dem Fall der Mauer zur Routine von Staatsbesuchen, die Messe im Olympiastadion am selben Tag war dagegen eine rein kirchliche Veranstaltung

Das Interview führte Gregor Krumpholz.

Quelle:
KNA