Ein historischer Bilck auf 1.700 Jahre Sonntagsruhe

Gottesdienst und Müßiggang

Kaiser Konstantin hat ihn vor 1.700 Jahren eingerichtet. Doch der arbeitsfreie Sonntag hat sich immer wieder verändert und neue Formen angenommen. Ein Blick ganz weit in die Geschichte des Sonntags zurück.

Autor/in:
Von Christoph Arens
Pfarrer und Messdiener im Weihrauch / © Sebastian Widmann (KNA)
Pfarrer und Messdiener im Weihrauch / © Sebastian Widmann ( KNA )

Brötchenverkauf am Sonntagmorgen, Einkaufsbummel in der City und Freizeitkleidung statt Festtagsoutfit: Der Sonntag ist nicht mehr das, was er mal war. Wenn Städte zu verkaufsoffenen Sonntagen einladen, wenn der Online-Händler Amazon an Adventssonntagen Zehntausende arbeiten lassen will - dann liegen sie quer zu einem 1.700 Jahre alten Gebot.

Arbeitsfreien Sonntag erhalten

Der römische Kaiser Konstantin war es, der im März des Jahres 321 nach jüdischem Vorbild die Sonntagsarbeit gesetzlich einschränkte und den Tag zum öffentlichen Ruhetag für Richter, Händler und die Stadtbevölkerung machte. Bauern durften - und mussten - je nach Wetter weiter arbeiten. Die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung Deutschlands lädt anlässlich des Jubiläums am Samstag in zahlreichen Städten und Gemeinden zu Aktionen für den Erhalt des arbeitsfreien Sonntags ein.

Begriff "Sonntag" mit uralten Wurzeln

Der Begriff "Sonntag" ist keine Erfindung der Christen. Griechen und Römer benannten ihre Wochentage nach den Planeten. Die frühen Christen dagegen feierten die Auferstehung Jesu am "Tag des Herrn - dies domenica". Schließlich setzte sich in einigen Sprachen aber doch wieder die antike Bezeichnung durch, war doch Jesus die "neue Sonne".

Kirche half bei der Durchsetzung

Konstantins Gesetz setzte sich erst langsam durch; so war der Ruhetag im Frühmittelalter im deutschen Sprachraum noch kein Thema. Doch die Kirche machte Druck: Das Konzil von Narbonne (589) verhängte bei Verstößen sechs Goldstücke für einen Freien und 100 Geißelhiebe für einen Hörigen. Es gab immer präzisere Vorschriften: Der Sonntag wurde zu einem Tag umfassender Enthaltsamkeit. Neben knechtischer Arbeit, Sex und Kriegsdienst wurden zeitweise auch Rasieren, Reiten oder Kartenspielen verboten.

Auch bei Christen blieb die Sonntagsruhe aber nicht unumstritten. Es sei Gott wohlgefälliger, nach dem Gottesdienst "zu mähen, Gras zu schneiden und zu heuen und andere notwendige Arbeiten zu verrichten, als sich liederlich dem Müßiggang hinzugeben", belehrte der Züricher Reformator Ulrich Zwingli 1523 seine Gemeinde.

Gemeinschaftliche Feier des Gottesdienstes

Die Arbeitsruhe sei fälschlicherweise immer wieder zum wesentlichen Kriterium der Sonntagsheiligung gemacht worden, kritisierte auch der Mainzer Liturgiewissenschaftler Adolf Adam in einem Standardwerk über das Kirchenjahr. Die Kirche habe sich den strengen Sabbat-Vorschriften des Judentums angenähert. Erst in der Neuzeit habe die katholische Kirche wieder klar in den Mittelpunkt gerückt, was schon für die frühen Christen den Kern ausmachte: die gemeinschaftliche Feier des Gottesdienstes.

Bürgerliche Anreicherung

Die Grundzüge einer "Sonntagskultur" mit Familienkaffee und Spaziergang bildeten sich erst im 19. Jahrhundert heraus. Allerdings nur für das Bürgertum, denn weder Bauern noch Arbeiter konnten einen regelmäßigen Ruhetag genießen. Erst mit den Sozialgesetzen zu Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Arbeit am Sonntag für sie eingeschränkt. Die Weimarer Reichsverfassung von 1919 gab der Sonntagsruhe Verfassungsrang - wie auch das Grundgesetz.

Immer wieder war der Sonntag auch politisch bedroht: Die Französische Revolution versuchte ebenso wie die Bolschewisten, eine andere Zeitrechnung einzuführen und den Sonntag abzuschaffen. Die Nazis organisierten Feste, Aufmärsche und Gruppenstunden, um dem Gottesdienst Konkurrenz zu machen.

Sonntagsrituale

In der Bundesrepublik ließ die Kirchenbindung mehr und mehr nach, der Gottesdienst gehört für viele nicht mehr zum Sonntagsritual. Wirtschaftswachstum sowie der arbeitsfreie Samstag ab 1956 brachten ein verändertes Wochenendgefühl. Das Fernsehen sorgte für neue Rituale - von der Sportschau am Samstagabend bis zum Tatort am Sonntagabend. DDR-Familien verbrachten den Sonntag bevorzugt in ihrer Laube im Grünen. Kirche wurde aus der Öffentlichkeit verdrängt.

Aufweichung des Arbeitsverbots

Im wiedervereinigten Deutschland lassen sich sowohl eine zunehmende Entkirchlichung als auch eine zunehmende Aufweichung des Arbeitsverbots an Sonn- und Feiertagen beobachten. Maschinen sollen rund um die Uhr ausgelastet werden, Börsen und internationale Unternehmen können sich nach eigener Darstellung eine Auszeit nicht leisten. Viele Menschen empfinden die Sonntagsruhe zudem als langweilig, wollen etwas erleben - und lassen den lieben Gott einen guten Mann sein.


Quelle:
KNA