Warum dem heiligen Benedikt das Hören so wichtig war

Schlüssel zu echter Begegnung

In unserem Alltag werden wir von Nachrichten, Klatsch und Tratsch nur so zugeschüttet. Manches kann man nicht mehr hören - und hört tatsächlich nicht mehr hin. Zugleich ist echtes Zu-Hören ist eine wahre Kunst.

Autor/in:
Fabian Brand
Statue des Heiligen Benedikt / © Cristian Gennari (KNA)
Statue des Heiligen Benedikt / © Cristian Gennari ( KNA )

"Der Anfang des rechten Lebens ist das rechte Hören", so hat es der antike griechische Schriftsteller Plutarch geschrieben. Das rechte Leben beginnt dort, wo man richtig zuhört, wo man den Anderen wahrnimmt. Da ist schon etwas Wahres dran! Denn wie oft erleben wir nicht das genaue Gegenteil: dass wir Menschen eben nicht richtig verstehen, weil wir ihnen nicht genau zuhören.

Der heilige Benedikt

Auch der heilige Benedikt von Nursia, dessen Festtag die Kirche am 11. Juli feiert, wusste um die besondere Bedeutung des Hörens. So beginnt er seine Ordensregel, nach der bis heute alle Angehörigen des Benediktinerordens leben, sehr programmatisch: "Höre, mein Sohn, auf die Weisung des Meisters, neige das Ohr deines Herzens, nimm den Zuspruch des gütigen Vaters willig an, und erfülle ihn durch die Tat."

Am Anfang der Regel, am Anfang eines jeden Lebens als glaubender Mensch, steht das Hören. Das geistliche Leben ist vom Hören geprägt: Hören ist die Voraussetzung, dass Menschen überhaupt miteinander Beziehungen eingehen, dass sie sich begegnen können. Auch für unseren Glauben ist das Hören von entscheidender Bedeutung: Schon im Alten Testament wird das Volk Israel zum Hören auf Gottes Wort aufgerufen. "Höre, und du wirst leben", ruft Mose den Angehörigen des Volkes zu. Wer Gottes Wort hört und es in sich aufnimmt, in dem kann es Frucht bringen und wachsen.

Hören und Zuhören

In unserem Alltag hören wir so viele Dinge, so vieles dringt an unsere Ohren. Dabei ist es gar nicht so einfach, das herauszuhören, was wirklich wichtig und für unser Leben von Bedeutung ist. Das Hören muss man trainieren. Das gilt sicher für das Zuhören in menschlichen Beziehungen. "Der Anfang des rechten Lebens ist das rechte Hören", schreibt schon Plutarch. Und auch der heilige Benedikt erkennt die Notwendigkeit, dass Gemeinschaften nur dann bestehen können, wenn man einander zuhört. Erst, wenn man weiß, was den anderen bewegt, was ihn umtreibt, kann man ihn auch verstehen. Erst dann kann man auf ihn zugehen und brüderlich und schwesterlich für ihn da sein.

In der geistlichen Schriftlesung gibt es die Methode der "Ruminatio", des Wiederkäuens. Dabei wiederholt man eine Schriftstelle immer und immer wieder, um bei jeder Wiederholung ein Stück tiefer in den Text einzutauchen. Ganz ähnlich ist die Übung des "Wiederhörens", die wir in jedem Gottesdienst pflegen. Jede Eucharistiefeier ist strukturiert mit Texten und Gebeten, die immer wiederkehren.

Das hat nichts damit zu tun, dass es den Autoren der Texte an Fantasie oder Kreativität gemangelt hat. Erst im ständigen Wiederhören und erneuten Wahrnehmen kann man die Größe eines Wortes wirklich erfassen. Wenn man bestimmte Texte immer neu hört, dann schleifen sie sich ein, man kann sie innerlich mitbeten und mitvollziehen. Aber mehr noch: Man wird fähig, neue Aspekte zu entdecken, die man zuvor vielleicht noch nicht wahrgenommen hat.

Wiederholungen

Sich einzulassen auf die uralten Texte, die uns im Gottesdienst begegnen, ist eine Entdeckungsreise. Es ist eine Hör-Übung, die sich lohnt. Denn das wirklich Wichtige findet sich doch nicht in den schnell dahergesagten Worten, die nur eine kurze Halbwertszeit haben. Das Große eröffnet sich erst langsam und mit viel Geduld. Der große und heilige Gott schenkt sich uns hin in seinem Wort: Aber wir müssen aufmerksam seine Spuren entdecken und uns neu für seine Gegenwart öffnen. Das ist die Aufgabe, vor die uns jede Begegnung mit dem Gotteswort stellt.

Der heilige Benedikt wusste um diese Notwendigkeit des aufmerksamen Hörens. Jede Woche wird in den Benediktinerklöstern bis heute der gesamte Psalter mit seinen 150 Psalmen gebetet. Und drei Mal im Jahr wird die komplette Regel des heiligen Benedikt vorgelesen. Es sind Wiederholungen, die das benediktinische Leben prägen. Wiederholungen, die zum entdeckenden Hören einladen. Die zeigen, dass das rechte Leben erst da beginnen kann, wo man sich als Hörender vom Wort Gottes beschenken lässt, wo man sich öffnet für seine Größe und eintaucht in die heiligen Texte, die sich Menschen seit Jahrtausenden zum eigenen Gebet, Lob und Dank zu eigen gemacht haben.


Figur des heiligen Benedikt von Nursia im Benediktinerkloster Tabgha (Israel) / © Corinna Kern (KNA)
Figur des heiligen Benedikt von Nursia im Benediktinerkloster Tabgha (Israel) / © Corinna Kern ( KNA )

Plastiknachbildungen des heiligen Benedikt von Nursia im Marienwallfahrtsort Fatima / © Alexander Brüggemann (KNA)
Plastiknachbildungen des heiligen Benedikt von Nursia im Marienwallfahrtsort Fatima / © Alexander Brüggemann ( KNA )

Beichte: Blick durch ein Holzgitter auf einen Priester mit violetter Stola in einem Beichtstuhl / © Harald Oppitz (KNA)
Beichte: Blick durch ein Holzgitter auf einen Priester mit violetter Stola in einem Beichtstuhl / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA