Das Verhältnis von Päpsten und ihren Leibärzten

"Manchmal gerieten die Leibärzte in Verdacht"

Päpste, die Krankheiten offen zeigen, die Angst hatten, vergiftet zu werden oder die auf dem Sterbebett abgelichtet wurden: Vatikanexperte Ulrich Nersinger beleuchtet das Verhältnis von Päpsten zu ihren Leibärzten, heute und in der Geschichte.

Kuppel des Petersdoms vor dunklem Himmel / © Cristian Gennari (KNA)
Kuppel des Petersdoms vor dunklem Himmel / © Cristian Gennari ( KNA )

DOMRADIO.DE: Warum hat man aus den Krankheiten der Päpste früher so ein Geheimnis gemacht?

Ulrich Nersinger (Vatikanexperte): Es gab so einen Satz in Rom -  Weisheit kann man dazu nicht sagen. Aber man sprach immer davon: Der Papst ist bei guter Gesundheit bis zu dem Tag, an dem er stirbt. Diese Art und Weise zu argumentieren, hat man bis in unsere Zeit durchgezogen. Man hat immer versucht, den Papst abzuschirmen vor Krankheiten, aber auch natürlich vor den Nachrichten über Erkrankungen.

DOMRADIO.DE: Gab es in der Geschichte der Päpste denn auch welche, die besonders viel hatten und die dann vielleicht auch einen Beinamen bekommen haben?

Nersinger: Ja, aus der jüngeren Geschichte wissen wir um einige Päpste, die besondere Krankheiten hatten, Krankheiten, die uns auch heute noch interessieren und von denen wir wissen, dass sie viele Leute betreffen. Denken wir daran, dass Johannes Paul II. Parkinson hatte und dass man das ja auch sah und er damit sehr offen umgegangen ist, was eigentlich ein Novum in der Papstgeschichte war.

Aber es gab natürlich auch Päpste in früheren Zeiten, die auch meistens durch das Alter Gebrechen hatten. Ich denke zum Beispiel an Leo XIII., der ja auch ein sehr hohes Alter erreichte. Dann gab es Päpste, die eben auch durch die Umstände im Kirchenstaat krank wurden, an Malaria erkrankten oder auch in den Epidemien teilweise davon betroffen waren.

DOMRADIO.DE: Gab es denn auch Hypochonder, also Kranke, also eingebildete Kranke sozusagen?

Nersinger: Im klassischen Sinn eigentlich nicht. Es gab natürlich Päpste, die befürchtet haben, dass sie vergiftet wurden. Ein berühmtes Beispiel ist Clemens XIV., der den Jesuitenorden aufgehoben hat. Als der dann zum Ende seines Lebens kränkelte, hatte er den Verdacht, dass er von den Jesuiten vergiftet worden sei. Also so etwas gab es. Aber richtige Hypochonder sind mir eigentlich nicht bekannt.

DOMRADIO.DE: Was wissen wir über die Leibärzte?

Nersinger: Das ist auch eine sehr alte Einrichtung. Die erste Liste haben wir erst aus dem 12. Jahrhundert, aber das ist ein sehr interessantes Gebiet, sich mit denen zu beschäftigen, weil Leibeärzte des Papstes übrigens auch nicht unbedingt Christen sein mussten. Im 15. und 16. Jahrhundert hatten wir eine ganze Reihe von jüdischen Leibärzten.

Und wir hatten auch Leibärzte, die berühmt wurden, die auch Forschungen gemacht haben, zum Beispiel, was die Kapillargefäße angeht oder was die Bekämpfung von Epidemien anging. Und manche haben auch neben ihrem Leibarzt-Job auch noch andere Sachen entdeckt, zum Beispiel Arnoldus de Villanova, der hat 1299 entdeckt, wie man Portwein herstellt. Also das ist ein sehr, sehr großes Gebiet. Und wir haben natürlich auch Leibärzte, die später Papst wurden, zum Beispiel Petrus Hispanus, der im 13. Jahrhundert lebte. Er ist dann später Papst Johannes XXI. geworden.

DOMRADIO.DE: Und dann gibt's noch den Leibarzt, den wir auch heute noch kennen, von den Kneippkuren.

Nersinger: Im 19. Jahrhundert haben die Besonderheit, dass sie zunächst einmal auch einen deutschen Leibarzt hatten, jemanden aus Aachen, Dr. Clemens August Alertz, das war der Leibarzt von Gregor XVI., teilweise auch von Pius IX. Der war auch Arzt in der Charité in Berlin. Und dann gab es natürlich mehr oder weniger einen Zufall bei einer Audienz, die Sebastian Kneipp beim Papst hatte. Der Papst wusste, dass das eher ein Naturheilkundler war und hat ihn gefragt, ob er eine Abhilfe wüsste, weil er große Probleme beim Einschlafen hätte. Und dann hat ihm Sebastian Kneipp geholfen und er konnte dem Papst tatsächlich Linderung verschaffen.

Und der Papst wusste natürlich, dass Kneipp angefeindet wurde von den Schulmedizinern. Und nachdem der Erfolg da war, hat er ihn verteidigt, wie ja auch seine Vorgänger. Denn die Päpste hatten im 19. Jahrhundert, das wissen sehr wenige, durchaus Sympathien für die Naturheilkunde. Und dann hat Leo XIII. Sebastian Kneipp zum päpstlichen Geheimkämmerer gemacht und damit natürlich den Gegnern von Kneipp im Bereich der Schulmedizin dann das Wasser abgegraben.

DOMRADIO.DE: Welches Ansehen hatten die Leibärzte früher im Vatikan?

Nersinger: Ein sehr hohes. Sie waren ja Laien und obwohl sie Laien waren haben sie bis zum 19.Jahrhundert den Titel "Monsignore" getragen, was außergewöhnlich ist. Sie hatten eine vornehme Kleidung, die dem römischen Adel nachgeahmt war. Sie befanden sich ständig in der Umgebung des Papstes, hatten den Rang eines päpstlichen Geheimkämmerers und sie hatten einen sehr, sehr hohen Rang und dadurch natürlich auch ein sehr großes Ansehen im Vatikan.

DOMRADIO.DE: Wer ist denn heute der Leibarzt von Papst Franziskus?

Nersinger: Heute wechselt das relativ schnell. In der letzten Zeit haben wir auch einige Leibärzte, die gestorben sind. Einer ist sogar an Covid-19 gestorben. Es ist auch so, dass heute die Leibärzte meistens gleichzeitig auch die Direktoren des Vatikanischen Gesundheitsdienstes sind.

DOMRADIO.DE: Und jetzt im Krankenhaus, von wem wird Papst Franziskus da betreut?

Nersinger: Auch eine Vergangenheit sind immer Fachärzte hinzugezogen werden. Das sind Fachärzte, die natürlich jetzt gerade seine Krankheit, die ja den Darm betrifft, behandeln. Also da weiß auch der päpstliche Leibarzt, dass er dann auf Fachärzte von hohem Niveau und von hoher Reputation zurückgreifen muss.

DOMRADIO.DE: Bei den Leibärzten geht es ja auch darum, dass die ständig in der Nähe sind, zum Beispiel bei Reisen.

Nersinger: Ja, und manchmal gerieten die Leibärzte auch in Verdacht. Also manchmal zu Unrecht und manchmal zu Recht. Denken wir an an Pius XI, der 1939 starb. Der starb kurz vor einer Ansprache an die italienischen Bischöfe, in der er auch noch einmal der Faschismus verurteilen wollte, und einer der Leibärzte des Papstes, war ein Doktor Petacci. Und das war der Vater von Clara Petacci, der Geliebten von Mussolini. Und dann kam natürlich das Gerücht auf, der Papst sei vergiftet worden, was aber nicht stimmt.

Und 1958 haben wir den Leibarzt von Papst Pius XII., Galeazzi-Lisi. Und er hat etwas gemacht, was einzigartig in der Geschichte der Leibärzte ist. Er hat auf dem Totenbett, also auf dem Krankenbett, von dem sterbenden Papst Fotografien gemacht. Sehr abstoßende Bilder, die zeigten den Papst mit Sauerstoffkanüle im Mund. Sie zeigten also wirklich den Papst in einer erbärmlichen Verfassung. Und er hat mit diesen Bildern dann versucht, Geld zu scheffeln. Und er hat es für hohe Summen der Yellow Press und den ganzen internationalen Medien angeboten.

Das Interview führte Dagmar Peters.


Vatikanexperte Ulrich Nersinger (EWTN)
Vatikanexperte Ulrich Nersinger / ( EWTN )

Statue von Sebastian Kneipp am 15. März 2021 in Bad Wörishofen / © Christopher Beschnitt (KNA)
Statue von Sebastian Kneipp am 15. März 2021 in Bad Wörishofen / © Christopher Beschnitt ( KNA )

Papst Pius XII. / © CNS photo (KNA)
Papst Pius XII. / © CNS photo ( KNA )
Quelle:
DR