Situation nach der Flutkatastrophe in Swisttal

Kein Geld für eine Tankfüllung oder Schuhe

Vielen Flutopfern fehlt es immer noch am Nötigsten. Mit der Auszahlung von Soforthilfen versuchen Hilfsorganisationen, die dringendsten Notlagen unbürokratisch zu lindern.

Nordrhein-Westfalen, Swisttal: Zerstörte Brücke über den Orbach / © Marius Becker (dpa)
Nordrhein-Westfalen, Swisttal: Zerstörte Brücke über den Orbach / © Marius Becker ( dpa )

Ihr Auto konnte die junge Frau noch vor dem Hochwasser retten. Geld für eine Tankfüllung hat sie allerdings nicht mehr, weil ihr gesamtes Hab und Gut in den Fluten untergegangen ist. Wie soll sie nun zur Arbeit kommen?

Gabriele Diener und Christiane Reiferscheid von der Sozialberatungsstelle des Diakonischen Werks Bonn und Region in Swisttal-Heimerzheim begegnen in diesen Tagen vielen Menschen, denen es am Nötigsten fehlt. Da ist etwa der Mann, der auf der Flucht vor dem Hochwasser keine Zeit mehr hatte, sich Schuhe anzuziehen. Nur mit Schlappen an den Füßen kam er in die Beratungsstelle. "Der Mann brauchte dringend richtige Schuhe, damit er überhaupt anfangen konnte, den Schlamm wegzuräumen", sagt Diener.

Schon 100 Euro können großen Unterschied machen 

"Die Menschen wissen oft nicht mehr weiter", berichtet auch Richard Stahl, Geschäftsführer der Caritas Geschäftsstelle in Bad Neuenahr-Ahrweiler. "Manchmal brauchen sie Geld für eine neue SIM-Karte oder ein Werkzeug." Mit den Spendengeldern, die Caritas und Diakonie in den vergangenen Wochen gesammelt haben, können die Hilfsorganisationen jetzt zumindest solche akuten Notlagen zu lindern. "Schon 100 Euro können in dieser Situation für die Menschen einen großen Unterschied machen", weiß Sozialberaterin Diener.

Für viele Menschen, denen es bis zur Flutnacht materiell gut ging, sei das eine bittere Erfahrung, erklärt die Geschäftsführerin des Diakonischen Werks Euskirchen, Nadine Günther-Merzenich. "Den meisten Menschen sieht man an, dass sie es nicht gewohnt sind, um Hilfe zu bitten und dass ihnen das schwer fällt." Viele, die im Hochwasser alles verloren haben, seien seitdem auf die Notversorgung angewiesen. "Die Menschen sind unglaublich dankbar, dass sie mit dem Geld erstmals wieder selbst etwas einkaufen können", beobachtet Günther-Merzenich. Die Soforthilfe werde nach einem Beratungsgespräch unbürokratisch ausgezahlt, betonen Diakonie und Caritas.

Anträge können ohne großen Aufwand gestellt werden 

"Wir befinden uns in einer Phase der absoluten Not, in der schnell geholfen werden muss", erklärt Helga Siemens-Weibring, Beauftragte für Sozialpolitik der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe. Deshalb könnten die Anträge auch ohne großen Aufwand gestellt werden. Bislang habe die Diakonie rund 1,6 Millionen Euro an Soforthilfen für die Flutopfer ausgezahlt. Sobald es nicht mehr um akute Nothilfe, sondern um den Wiederaufbau gehe, müsse aber aufwendiger geprüft werden, kündigt Siemens-Weibring an. Derzeit befindet sich ein Spendenmanagement-System im Aufbau, an das alle Spendenorganisationen Zuwendungen melden, um Missbrauch vorzubeugen.

Auch bei anderen Spendenorganisationen ist die Soforthilfe angelaufen. Die Johanniter-Unfall-Hilfe etwa überwies nach eigenen Angaben an Haushalte im Landkreis Ahrweiler bereits Spenden in Höhe von insgesamt rund 1,3 Millionen Euro. Auch Bezirksverbände der Arbeiterwohlfahrt (AWO) haben mit der Ausschüttung der Spenden begonnen. Nach Angaben des AWO Bundesverbandes werden die Soforthilfen in Höhe von 500 bis 5.000 Euro nach Prüfung der Bedürftigkeit überwiesen. Beim Malteser Hilfsdienst und dem Arbeiter-Samariter-Bund werde die Verteilung der Soforthilfen derzeit vorbereitet, erklärten die Organisationen.

"Wir sind eine Mischung aus Seelsorge und Finanzhilfe"

Es gehe aber nicht nur darum, den Flutopfern Geld in die Hand zu drücken, betont Caritas-Geschäftsführer Stahl. "Die Menschen haben den Kopf voll und ein großes Bedürfnis zu reden." Sie berichteten den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von ihren dramatischen Erlebnissen, etwa der Flucht auf das Dach und dem verzweifelten Warten auf Hilfe. "Wir sind eine Mischung aus Seelsorge und Finanzhilfe", sagt auch die Swisttaler Sozialberaterin Christiane Reiferscheid.

Neben den materiellen Problemen sei den Betroffenen oftmals ihre Zukunftsperspektive weggebrochen. "Bei vielen droht der Verlust des Arbeitsplatzes." Da sei etwa die Mitarbeiterin eines Altenheims an der Ahr. Niemand weiß, ob es für ihr überschwemmtes Haus eine Zukunft gibt. Auch viele Geschäfte sind durch die Flut so zerstört, dass oft unklar ist, ob sie je wieder öffnen werden.

Ein großes Problem sei auch der Mangel an Wohnungen, berichten die Berater und Beraterinnen von Diakonie und Caritas an Ahr und Swist übereinstimmend. Sie versuchen nun zu helfen, indem sie Wohnungsbörsen und Informationsnetzwerke aufbauen. "Es wird langfristig Beratung für die Menschen notwendig sein", ist sich Stahl sicher.

Claudia Rometsch (epd)

 

Quelle:
epd
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