Die Geschichte von Frère Roger ist schon häufig aufgeschrieben worden. Der Gründer der Mönchsgemeinschaft von Taizé, der mitten im Zweiten Weltkrieg Versöhnung suchte und ein fast verlassenes Dorf in Burgund zu einer internationalen Jugendbegegnungsstätte und zu einem Motor der ökumenischen Begegnung machte. Roger Schutz (1915-2005) hatte bei seiner Idee von Taizé mehrere Mitdenker und Mit-Träumer. Einer der ganz zentralen war Max Thurian, der vor 100 Jahren, am 16. August 1921, geboren wurde und am 15. August 1996, vor 25 Jahren, starb.
Sein Werdegang ist theologisch ungewöhnlich, ja spektakulär. Max Thurian wurde als Sohn eines Zollbeamten im Kanton Genf geboren. Der Calvinist studierte an der autonomen Theologischen Fakultät der Universität Genf. Nach seinem Abschluss wurde er 1946 von der Église nationale protestante de Genève ordiniert, bevor er sich als einer der ersten sieben Brüder dem idealistischen Projekt von Taize anschloss. Für den Charismatiker Frère Roger war das Theologiestudium nur ein Mittel zum Zweck seiner geistlichen Berufung, seines spirituellen Weges mit Christus gewesen. Der eigentliche theologische Kopf von Taizé wurde Frère Max.
Beobachter beim Zweiten Vatikanischen Konzil
Die beiden Schweizer wurden von Johannes XXIII. (1958-1963) persönlich als protestantische Beobachter zum Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) eingeladen. Der reformorientierte Konzilspapst schätzte den geistlichen Aufbruch der ökumenisch gesinnten Gemeinschaft außerordentlich, nannte ihn begeistert einen "kleinen Frühling". 1948, damals noch als Nuntius in Frankreich, hatte er der jungen protestantischen Gemeinschaft gestattet, in der katholischen Dorfkirche Gottesdienst zu feiern.
Umgekehrt zeigten sich die Vertreter von Taizé durch die Reformen des Konzils in ihrem Kurs bestätigt; man schien am selben Strang zu ziehen. Mit Erlaubnis des Erzbischofs von Paris wurden 1969 die ersten katholischen Brüder aufgenommen - aus kirchenhistorischer Sicht der eigentliche, sensationelle Start einer ökumenischen Mönchsgemeinschaft.
Ökumenische Fortschritte nicht schnell genug
Drei Jahre später erhielten Frère Roger und Frère Max gar vom Bischof von Autun, Armand Le Bourgeois, die Kommunion. Schon beim Konzil hatten die beiden Calvinisten Aufsehen erregt, als sie wie selbstverständlich vor dem Altarssakrament niederknieten. Der eucharistische Schritt von 1972 wurde lange Zeit als Beleg für einen Übertritt der beiden zum Katholizismus gewertet - was jedoch von der Gemeinschaft von Taizé stets als nicht zutreffend zurückgewiesen wurde.
Die innere Chronologie der folgenden Jahre ist nicht mehr einfach nachzuvollziehen. Offenbar gingen Frère Max die damals noch erheblichen ökumenischen Fortschritte nicht schnell genug. Der heutige Prior von Taizé, der deutsche Katholik Frère Alois (67), sagte einmal der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA): "Er wurde irgendwann zu ungeduldig, und er ging einen anderen Weg."
Mitglied der päpstlichen Theologenkommission
Anfang der 80er Jahre arbeitete Thurian noch an der Lima-Erklärung des Weltkirchenrates (ÖRK) von 1982 mit. Am 3. Mai 1987 schließlich wurde er in Neapel vom dortigen emeritierten Erzbischof, Kardinal Corrado Ursi, zum Priester geweiht. 1992 berief ihn Johannes Paul II. (1978-2005) zum Mitglied der päpstlichen Internationalen Theologenkommission. Ein weiter geistlicher Weg hatte Thurian vom Genfer reformierten Theologen zum ökumenisch gesinnten Mönch bis hin zum päpstlichen Theologen geführt.
In seinen letzten Lebensjahren litt er an einer Krebserkrankung, wurde in Genf behandelt. "Aber er kam weiter jede Woche nach Taizé", berichtet Frère Alois - immerhin 120 Kilometer Luftlinie und rund 200 Straßenkilometer. Max Thurian starb in Genf, einen Tag vor seinem 75. Geburtstag. Begraben liegt er in Taizé, gleich neben Frère Roger, am Eingang der kleinen romanischen Dorfkapelle.