DOMRADIO.DE: Wie viele Menschen können Sie derzeit aufnehmen?
Frère Timothée (Bruder der ökumenischen Gemeinschaft in Taizé): Wir könnten im Prinzip diejenigen, die im Moment kommen wollen, auch aufnehmen. Aber im Moment ist die Nachfrage nicht so groß, weil es noch Reise-Einschränkungen oder Quarantäne-Verpflichtungen bei der Rückkehr gibt. Es sind zurzeit hauptsächlich Leute aus Frankreich da - derzeit sind es 60, 70 Leute. Aber wir könnten durchaus auch mehr unterbringen.
DOMRADIO.DE: Es gibt bei ihnen auch Hygieneregeln. Wie beeinflussen die den normalen Tagesablauf in Taizé?
Frère Timothée: Der größte Unterschied ist, dass wir jetzt schon seit über einem Jahr in der Kirche nur mit Abstand und Maskenplicht sitzen. Aber wir können singen. Das ist zum Glück bei uns nie untersagt gewesen, dass in der Kirche mit Abstand und Masken gesungen werden kann. Da unsere Kirche ja sehr groß ist, würden wir schon 500 Leute mit den notwendigen Abständen unterbringen.
Klar, wenn es dann deutlich mehr Anfragen gäbe, müsste man irgendwann schauen, wie viele Leute noch um die Kirche herum passen und von draußen mitbeten können. Das hat es letzten Sommer gegeben. Aber von solchen Zahlen sind wir im Moment von den Anfragen her noch weit entfernt.
DOMRADIO.DE: Wie ist es für Sie und Ihre Mitbrüder persönlich, Ihr Gelände und natürlich auch die Kirche so leer zu sehen?
Frère Timothée: Das ist schon seltsam. Vor allem der erste Lockdown vor einem Jahr, als wirklich alles zu war und gar keine Gäste mehr kamen. In Frankreich galt dieser Radius von einem Kilometer um den eigenen Wohnsitz, über den man sich ohne Grund nicht darüber hinaus fortbewegen durfte, und wenn, dann nur mit bestimmten Papieren. Das hatte schon etwas leicht Apokalyptisches, wenn man dann in diesem Radius in der Umgebung unterwegs war und nie jemandem begegnet ist.
Seitdem gab es ganz unterschiedliche Phasen. Im letzten Sommer fanden auch Treffen mit mehreren hundert Leuten statt. Danach war es ein Auf und Ab von Schließungen und Öffnungen, mal mit größeren, mal mit sehr kleine Gruppen. Aber wir freuen uns auf alles, was wieder möglich wird, vor allem, wenn die Dinge wieder in größerem Umfang möglich sein werden - weil wir gemerkt haben wie dankbar gerade die Jugendlichen etwa in den französischen Herbstferien waren, endlich mal aus den eigenen Kontexten herauszukommen. Wo so viel unmöglich war im Laufe des Jahres, freuen wir uns über alle Begegnungen, die stattfinden können.
DOMRADIO.DE: Sie haben seit längerer Zeit Jugendliche bei ihnen, die online von Taizé aus studieren. Was war denn die Idee hinter dieser Aktion?
Frère Timothée: Zwar waren immer wieder eine kleinere Anzahl von Besuchern hier, aber wir hatten auch über das Internet Kontakt. Wir bekamen die Rückmeldung, wie schwierig es über lange Zeit sei, über Distanz zu studieren, sich immer nur online fortzubewegen und alle sozialen Kontakte nur über Zoom-Meetings und andere Onlineformate zu erleben. Dass die Begegnung fehlt, gerade wenn man vielleicht allein und auf sehr engem Raum wohnt und dann nicht hinausgehen kann - die Ausgangsbeschränkungen in Frankreich waren ja viel strenger als in Deutschland.
Wir hatten die Idee, dass man der Vereinsamung etwas entgegensetzen kann, wenn sich mehrere hier zusammenfinden können, um gemeinsam ihr jeweiliges Distanzstudium zu verfolgen. Das sind natürlich nicht hunderte Leute, die das machen, aber es sind so 20 Studierende, vielleicht auch 25, die nun ihr Studium von hier aus verfolgen und nebenher an den Gebetszeiten teilnehmen.
DOMRADIO.DE: Die Pandemie ist für Taizé ja auch ein wirtschaftlicher Faktor. Wie sehr leiden Sie darunter?
Frère Timothée: Wir leben als Brüder nicht von den Jugendtreffen. Die Jugendtreffen tragen sich durch die Unkostenbeiträge, die die Teilnehmenden bezahlen. Ein Problem sind die Fixkosten, die ja nicht sinken, nur weil weniger Teilnehmende kommen. Außerdem konnten wir nur noch wenig verkaufen, weil kaum jemand vorbeikommt.
Da haben wir dann geschaut, wo wir noch verkaufen und welche anderen Dinge wir noch tun können. Wir sind auf die Wochenmärkte gegangen, um die Töpferei-Sachen zu verkaufen. Brüder haben Kekse gebacken. Wir haben in der Landwirtschaft mitgearbeitet, haben Wein gepflanzt oder Johannisbeeren auf der Farm in der Nachbarschaft, wo in der ersten Generation schon Brüder beteiligt waren, die sich dann irgendwann zurückgezogen hatten.
DOMRADIO.DE: Wie zuversichtlich sind Sie, dass im Herbst 2021 wieder wesentlich mehr Menschen kommen können?
Frère Timothée: Ich gehe davon aus, dass wir auf jeden Fall im Sommer wieder Wochen wie im letzten Sommer haben können, also dass wir 500 bis 700 Menschen empfangen können, die man auch mit Abstand in der und um die Kirche unterbringen kann. Das wird aus meiner Sicht möglich sein. Da müssten schon ganz gefährliche Varianten auftreten, die die Impfung nicht abwehren können, damit das in Frage gestellt wäre.
Alles andere hängt davon ab, wie sich die Abstandsregeln weiter entwickeln. Das ist zum heutigen Zeitpunkt schwer zu sagen, ob es die im Herbst noch geben wird oder nicht. Da kann ich mir durchaus beides vorstellen: Entweder, dass die Regelungen noch bestehen oder wegfallen werden, wenn die Impfquoten weiter steigen und Forderungen aus kommerziellen Räumen wie Kinos kommen, wieder mit normaler Kapazität funktionieren zu können. Aber das ist aus heutiger Sicht sehr spekulativ.
Das Gespräch führte Martin Mölder.