DOMRADIO.DE: Es gab sehr lange Phasen des Homeschoolings und des Wechselunterrichts. Einige Schulen haben in dieser Zeit auf den Religionsunterricht gar nicht so viel Gewicht gelegt. Da gab es einfach Wichtigeres. Ist das nachvollziehbar für Sie?
Christoph Westemeyer (Abteilungsleiter für schulische Religionspädagogik und katholische Bekenntnisschulen im Erzbistum Köln): Ich glaube, da muss man unterscheiden. Ganz am Anfang war das sicher der Fall, als man erstmal gucken musste, wie Schule in digitaler Form überhaupt funktionieren kann. Aber dann hat auch sehr schnell der Religionsunterricht wieder stattgefunden, aber eben in anderer Form. Häufig war es digital, die Lehrerinnen und Lehrer haben sehr viele Materialien online entworfen, es gab auf einmal verschiedene Tools. Es war möglich, was früher nicht denkbar war.
Insofern war sicher der Religionsunterricht nicht das erste Fach, was die Schulleitung wieder an den Start gebracht hat. Aber eigentlich ist er nach kurzer Zeit auch in regelmäßiger Form dabei gewesen. Natürlich dann in anderer Weise, wie auch Mathe und Deutsch.
DOMRADIO.DE: Wie wichtig ist denn der Religionsunterricht für die Kleinen?
Westemeyer: Da muss man, glaube ich, genau hinhören, was die Kinder mitbringen. Was in den nächsten Tagen im Unterricht und in der Schule passieren wird, wird das genau zeigen. Die Kinder werden ganz viel mitbringen. Sie werden mitbringen, dass sie ein ganzes Jahr ihre Freundinnen und Freunde nicht gesehen haben. Sie werden aber auch vielleicht mitbringen, dass eine Flutkatastrophe in der Nähe stattgefunden hat, wo sie vielleicht Menschen kennen oder selber betroffen sind.
Das werden die großen Themen gerade auch im Religionsunterricht sein. Wenn es ein Fach gibt, das in diesem Feld kompetent ist, mit den existentiellen Fragen, die Kinder eben auch schon haben, umzugehen und da als Stütze und Wegbegleitung zu fungieren und vielleicht auch Antworten aus dem Glauben heraus geben zu können, dann ist das der Religionsunterricht. Das wird sich in den nächsten Tagen zeigen, dass dieses Fach in der Schule eine ganz besondere Bedeutung hat.
DOMRADIO.DE: Gibt es Fragen aus den Schulen, wie man in Sachen Religionsunterricht mit den Kleinen umgehen soll?
Westemeyer: Es gab in der Tat immer die Frage "Was heißt das jetzt eigentlich in diesen ganzen Unglückssituationen? Sind die eigentlich schnell vorbei, nur weil wir in der Tagesschau zu Recht schon wieder über Afghanistan reden?" Nein, es ist eben nicht vorbei. Die Erfahrungen gibt es weiterhin.
Es geht jetzt wirklich darum, sowohl in schulpastoraler Hinsicht, aber auch im Religionsunterricht einfach mal ein Ankommen zu ermöglichen und ein Sprechen über genau diese Fragen, die die Kinder im Tiefsten betreffen, beunruhigen, verängstigen und dann zu schauen, wie man Trost spenden kann und was vielleicht auch der Glaube dazu beiträgt, dass man mit Situationen umgehen kann, die auf den ersten Blick ganz schwierig sind.
DOMRADIO.DE: Zum Schulbeginn hat der Kölner Erzbischof Kardinal Woelki ein Grußwort für die Erstklässler geschrieben. Was steht da drin?
Westemeyer: Grußwort klingt immer so nach Erwachsenensprache, aber eigentlich hat er denen einen Brief geschrieben. Er hat den Kindern ein sehr schönes Faltblatt gemacht mit einem kurzen Text, wo er sagt "Du bist herzlich willkommen, Gott möchte dich genau so, wie du bist. Gott möchte, dass du da bist und du bist geborgen in seiner Hand." Wenn man das Faltblatt dann aufmacht, kann man verschiedene Dinge sehen. Erst einmal den einen oder anderen Satz, das eine oder andere Bild. Ganz am Ende, wenn man in der Mitte angekommen ist, sieht man auf einmal einen Satz: "Du bist mein geliebtes Kind." Und dann guckt das Kind in einen Spiegel.
DOMRADIO.DE: Genau, da ist so ein kleiner Spiegel, in dem man sich dann sehen kann, auf dem Faltblatt.
Westemeyer: Das ist der Effekt, der sicher mehr ist als ein spielerischer Effekt, sondern der den Kindern zeigen soll "Du bist ein geliebtes Kind, du bist mein geliebtes Kind." Und das möchte der Erzbischof den Kindern am Anfang mitgeben, als Hoffnungsbotschaft, als Mutbotschaft für den ganzen Schulweg. Die Kinder freuen sich einfach auf die Schule, auch wenn sie am Anfang sicher auch nervös und ängstlich sind.
DOMRADIO.DE: In den vergangenen anderthalb Jahren gab es keinen Schulgottesdienst. Wie ist das jetzt in Zukunft geregelt?
Westemeyer: Auch da wird man unterscheiden müssen, dass viele Schulgottesdienste sozusagen ihre Sichtbarkeit in der Pandemie verloren hatten, weil sie eben häufig in anderer Form stattgefunden haben, digital und über Impulse. Gerade an den erzbischöflichen Schulen war das ganz regelmäßig der Fall, aber auch an öffentlichen Schulen.
In dem Moment, wo man auch in den Kirchen wieder Gottesdienste feiern durfte, hat das auch an vielen öffentlichen Schulen, also staatliche Schulen sind das ja meistens, stattgefunden. Vielleicht jetzt in diesen Tagen zum Beispiel gar nicht unbedingt in der großen Kirche nebenan, sondern auf dem Schulhof. Da kann man mehr Leute unterbringen, da kann man den anschließenden Festakt mit verbinden.
Das sind Situationen, auf die man dann spontan und flexibel reagieren muss. Da sind den Schulen keine Grenzen gesetzt. Die sind alle so professionell, gute Wege zu finden. Eigentlich gehört für alle Schulen ja auch ein Schulgottesdienst am Anfang dazu.
Das Interview führte Tobias Fricke.